0351 - Wir jagten das schnelle Gespenst
Geheimnis mehr«, meinte Phil. »Das Gespenst wollte sich deine Stimme anhören. Jetzt können wir wieder Licht machen.«
Ich war zum Schalter gegangen. Als das Licht der kristallenen Kronleuchter aufflammte, ertönte ein markerschütternder Schrei.
Er kam von oben von der Galerie.
Wir stürzten mit gezogenen Pistolen hinauf. Zahlreiche Türen auf beiden Seiten.
Aus welcher war der Schrei gekommen?
Wir überlegten eine Sekunde, als die Tür zu Mr. Lorkes Schlafzimmer aufging.
Er prallte zurück, als er uns sah, fasste sich aber gleich wieder. Um die Schultern hatte er einen Morgenrock gehängt.
»Haben Sie es auch gehört?«, keuchte er. Er machte ein verstörtes Gesicht. Während Phil bei Lorke blieb, riss ich eine Tür nach der anderen auf. Nichts war zu finden, was auf den Urheber des Schreies schließen ließ. Alle Fenster waren verschlossen, keine Scheibe zerbrochen.
»Wir müssen uns geirrt haben!«, meinte ich. »Vielleicht kam der Schrei woanders her!«
»Ausgeschlossen!«, ächzte der Hausherr. »Es war bestimmt in diesem Stockwerk, glauben Sie mir. Ich kenne das Haus doch.«
Phil und ich nahmen uns noch einmal die Zimmer vor. Wir leuchteten unter jedes Bett, öffneten jeden Schrank und blickten hinter alle Türen - vergeblich.
»Sehen wir erst einmal nach Mrs. Kopp und dem alten Evers!«, entschied ich. Lorke kam mit.
Mrs. Kopp stand auf dem Gang vor ihrem Zimmer. Sie trug ein weißes Nachthäubchen und ein so langes Nachthemd, dass selbst die Füße verborgen blieben. Ihre Hand klammerte sich um einen Besen. Die Köchin war kreidebleich und stotterte, als wir sie fragten, ob alles in Ordnung sei.
Evers fanden wir in der Küche. Er war vor einem halb geleerten Glas Napoleon eingeschlafen. Vor ihm auf dem Tisch lag das Schießeisen, das er dauernd mit sich herumzuschleppen schien. Ich nahm es auf und wog die Waffe in der Hand. Es war ein alter Colt.
Plötzlich stutzte ich und hob die Mündung an die Nase. Phil sah mir aufmerksam zu.
Ich hielt den Lauf vor sein Gesicht. »Aus dieser Waffe ist vor kurzem geschossen worden!«, stellte er fest. Mister Lorke starrte mit halb offenem Mund erst uns, dann seinen Diener an.
Evers hatte den Kopf in die Armbeuge gelegt und holte regelmäßig Atem. Kein Zweifel, der Alte schlief wirklich. Ich sah mir den Colt noch einmal an. In der Trommel fehlte keine Patrone.
***
Mit uns schien jemand Katz und Maus zu spielen. Ich ließ Lorke und Abel in der Küche zurück und inspizierte die Türen.
Die Fäden, die ich gespannt hatte, waren alle zerschnitten. Nicht etwa abgerissen, sondern fein säuberlich mit Schere oder Messer zerschnitten! Alle Türschlösser waren versperrt.
»Das scheint nicht nur ein Gespenst zu sein, sondern offenbar eine ganze Kompanie«, knurrte ich.
Phil bückte sich.
»Komm mal her, Jerry!«, sagte er leise. Ich richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Boden, wo Phil hockte. Der Abdruck eines nassen Schuhs zeichnete sich ab.
»Der Kerjl muss von draußen gekommen sein und einen Nachschlüssel besitzen!«
»Aber es hat seit drei Tagen nicht mehr geregnet«, wandte Phil ein. »Wieso ist dann die Sohle nass?«
Ich schloss die Tür auf, die in den Garten führte und sah mich draußen um.
Der Abdruck gehörte also zum Programm des unheimlichen Besuchers. Er hatte uns bewusst irreführen wollen. Wahrscheinlich hatte er zur Herstellung des Abdrucks den Schuh eines Hausbewohners benutzt.
In diesem Augenblick zischte etwas an meinem Köpf vorbei.
Ich ließ mich auf den Boden fallen und griff nach meiner Special. Vorsichtig hob ich den Kopf.
Im Holz der Tür zitterte der Schaft eines Pfeils.
Ich lag vielleicht zwei oder drei Sekunden auf den Steinplatten des Gartenweges.
Da hörte ich das Surren der Bogensehne schon wieder. Ich zog die Beine an und schnellte mich zur Seite -keine Sekunde zu früh.
Dort, wo ich eben noch gelegen hatte, prallte der Pfeil auf.
Der Mordschütze musste mit seiner lautlosen Waffe hinten im Garten stehen.
Die Attacke aus dem Dunkel zerrte an meinen Nerven. Im Zickzack rannte ich auf meinen Gegner zu.
Ein Mann in der Kleidung eines mittelalterlichen englischen Bogenschützen lehnte an einem Baumstamm. Unter dem spitzen Hut verdeckte ein Visier seine Augen.
***
Durch die Straßen der Bowery schlenderte ein Mann, dessen elegant geschneiderter Anzug nicht recht in 10 diese Gegend passte. Misstrauische Blicke aus ausgemergelten Gesichtern trafen ihn, aber er schien sich nicht darum zu kümmern.
Ab und
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