0353 - Ein Toter zuviel
später schauten wir uns im Cacadu um. Dort waren nur ein paar Reinmachefrauen bei der Arbeit. Der Besitzer des Lokals, ein bärtiger Armenier, hörte sich unsere Fragen mit der Geduld eines orientalischen Märchenerzählers an.
Stan Pool war seit etwa eineinhalb Jahren bei ihm beschäftigt. Was er vorher getrieben hatte, wußte er nicht und wollte er wahrscheinlich auch gar nicht wissen. So oft wir ihm eine konkrete Frage stellten, schüttelte er seinen wirren Hxarschopf. In hart akzentuiertem Englisch gab er uns zu verstehen, daß wir bei ihm an der falschen Adresse wären.
Mit diesem unablässig schnatternden Kerl verloren wir nur unsere Zeit. Außerdem begann mein Magen zu knurren.
Wir aßen in einem Steakhouse ein saftiges Stück Fleisch und fuhren in die 69. Straße, um Mr. High unseren Bericht zu geben.
Ich erzählte ihm von der Vermutung, die Lieutenant Boney ausgesprochen hatte..
Der Chef meinte:
»Vielleicht haben wir es wirklich mit einem Amateur zu tun. Manches deutet darauf hin. Die Ausführung des Mordes an Stan Pool ist jedoch offensichtlich die Arbeit von Professionals. Aber ich bin überzeugt, daß die Lösung des Falles nicht mehr lange auf sich warten läßt. Die Täter haben bereits so viel Staub aufgewirbelt, daß wir sie über kurz oder lang fassen werden. Der Schleier, hinter dem sie sich verstecken, ist sehr dünn geworden.«
Als wir in das Office zurückkamen, lag auf meinem Schreibtisch ein kleines, sauber verschnürtes Päckchen. Unter der Schnur, die es zusammenhielt, war ein Kärtchen durchgesteckt. Ich zog es aus dem Umschlag und las.
»Ein dankbarer Verehrer möchte Ihnen eine Freude bereiten!« stand darauf. Phil stand hinter mir.
Argwöhnisch musterte ich das Paket. Ich habe etwas gegen Geschenke, die mir von unbekannten Leuten zugesandt werden. G-men pflegen keine unbekannten Verehrer zu haben.
Ich rief unsere technische Abteilung an. Wenig später kam Sam Breen, der Mann, der für solche Sachen zuständig ist. Er horchte eine Weile an dem Päckchen. dann nickte er und nahm es unter den Arm. Er trat so vorsichtig auf, als trüge er die Kronjuwelen der britischen Könige.
»Du hörst von mir, Jerry!« sagte er, als er zur Tür hinausging.
Phil sagte, er habe noch etwas zu erledigen, so ging ich allein zu Bennie Goodwin. Ich legte Bennie die Uhr vor, die wir unter dem Fenster der Wohnung von Pool gefunden hatten.
»Ja, das ist die Uhr meines Vaters«, bestätigte er. »Er trug sie immer bei sich, auch damals, als er verunglückte. Sie ist ein Erbstück meines Großvaters und wurde von einem bekannten Londoner Uhrmacher angefertigt. Kann ich die Uhr wiederhaben?«
»Bedauire, Mr. Goodwin. Aber die Uhr ist möglicherweise ein wichtiges Beweisstück in diesem Fall. Natürlich bekommen Sie Ihr Eigentum wieder zurück, wenn sich alles aufgeklärt hat.«
»Wann glauben Sie, soweit zu sein, Mr. Cotton?«
»Schneller, als Sie denken. Ich bin überzeugt davon, daß wir den Täter bald gefaßt haben!«
Ich weiß nicht, was mir diese Überzeugung eingab, aber vielleicht hatte mich der Optimismus Mr. Highs angesteckt. Goodwin zog die Brauen hoch.
»Ich wünsche Ihnen viel Glück dazu«, meinte er skeptisch.
Als ich die Tür zu meinem Office aufdrückte, klingelte das Telefon. Sam Breen meldete sich.
»Gut, daß du da bist, Jerry. Wenn du noch mehr solcher dankbaren Verehrer aufzuweisen hast, werde ich mir bald eine Trauerschleife ins Knopfloch stecken müssen. Für meine Begriffe lebt ihr jungen Leute viel zu gefährlich.« Ausgerechnet Sam mußte das sagen! »Was ist denn?«
»Komm herauf und sieh es dir an!« Auf dem Gang sah ich Phil. Ich nahm ihn gleich mit. Sam führte uns in einen Raum, der einem chemischen Labor sehr ähnlich sah. In einer Ecke stand ein Glaskasten, aus dem ein Ventilator die Luft absaugte. Neugierig blickten wir durch die Scheibe. Sam öffnete vorsichtig das Schiebefenster. Mindestens zweihundert Stück echt ägyptischer Zigaretten lagen auf einem Haufen beieinander.
»Vorsicht, nicht anfassen!« warnte Sam. »Wenn Sie eine von diesen Zigaretten geraucht hätten, würden die Kriminalreporter jetzt schon einen Nachruf verfassen. Es sind Sargnägel im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Ich kann nichts Gefähnliehes sehen«, meinte Phil.
Breen lachte.
»Sehen freilich nicht, Phil! Aber die Mundstücke sind mit Zyankali getränkt wie sein Badeschwamm.«
Ich schüttelte mich in dem angenehmen Gefühl, noch frisch und lebendig zu sein. Sam schob das Fenster
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