0353 - Flucht vor dem Grauen
Erklärung.
»Es ist so«, hörten sie wieder die Echostimme durch die Schlucht geistern. »Der Namenlose ist zwar ein mächtiger Dämon im eigentlichen Sinne, trotzdem ist er anders als die übrigen. Man kann ihn nicht fassen, man bekommt ihn nicht zwischen die Finger. Er kann einmal hier sein, und plötzlich wieder woanders. Er ist namenlos, er ist gestaltlos…«
»Sag uns den Namen!« unterbrach der Eiserne Engel seine Väter.
»Gut, ich will ihn euch verraten, oder wir wollen ihn euch verraten, damit ihr seht, was ihr euch da aufgeladen habt. Der sechste Große Alte, der letzte ist auch gleichzeitig der größte Joker im Spiel um die Macht und die Herrschaft. Er ist der Namenlose, er ist der – Spuk!«
Das war eine Überraschung!
Vielleicht hätten die drei schon etwas erahnen können, aber sie hatten nicht daran gedacht, weil sie einfach nicht weit genug folgerten und die Personen der Großen Alten gedanklich zu sehr einengten. Daß der so berühmte Namenlose dennoch einen Namen besaß, riß sie fast um.
»Der Spuk?« Kara hatte die Frage gestellt. Sie schüttelte den Kopf und schaute auf ihren Partner Myxin.
Selbst der kleine Magier konnte nur die Schultern heben, zu einer ändern Reaktion war er nicht fähig.
»Hast du das denn nicht gewußt?« hauchte Kara. »Du bist älter als ich. Hast miterlebt, wie finstere Dämonen oder Götter entstanden, und jetzt diese Überraschung.«
»Sie hat mich auch hart getroffen«, gab der kleine Magier zu. »Ich habe wirklich nichts gewußt.«
»Ja denn…«
»Zweifelt ihr?« klang die Frage durch die Schlucht. »Zweifelt ihr an unseren Worten?«
Der Eiserne Engel setzte ein klares »Nein!« dagegen. »Wir haben uns nur gewundert, sind zu überrascht, denn damit hätten auch wir nicht gerechnet.«
»Es weiß kaum jemand Bescheid«, gaben die stummen Götter zu.
»Das ist eben unsere Tragik. Ihr wißt genau, daß wir erst aus unserem langen Schlaf oder unserer Verbannung erwachen, wenn die sechs Großen Alten vernichtet sind. Vier habt ihr geschafft, eine großartige Leistung, aber traut ihr euch zu, auch Hemator und den Namenlosen zu vernichten?«
Keiner der drei antwortete spontan. Sie mußten erst über die Frage nachdenken.
Der Eiserne kam schließlich zu einem Entschluß. »Hemator vielleicht, den Namenlosen aber nicht…«
»Das haben wir uns fast gedacht.«
Der Engel drehte sich zu Kara und Myxin um. »Ich sehe kaum eine Chance«, flüsterte er. »Ihr?«
»Der Spuk ist sehr stark«, gab Myxin zu. »Verdammt stark sogar, und wir werden es schwerer haben als sonst. Vielleicht überleben wir nicht, aber auch er hat schwache Stellen.«
»Zum Beispiel?«
»Er will den Würfel des Unheils.«
Der Eiserne lachte. »Ja, das weiß ich. Nur kann er ihn kaum bekommen, denn Jane Collins befindet sich an einem Ort, der für den Spuk nicht so leicht zu erreichen ist.«
»Wenn er den Würfel bekommt, wird er versuchen, uns zu vernichten«, hörten die drei die Stimmen der stummen Götter. »Dann wird diese Welt zusammenstürzen, und unsere Geister gehen ein in den unendlichen Kosmos. Noch sind wir vorhanden, wenn auch nicht körperlich, aber wir können uns bemerkbar machen. Sollte der Namenlose mit dem Würfel eingreifen, werden wir auch dieses letzte Refugium aufgeben müssen, so schlimm es ist. Aber wir sehen keine Möglichkeit.«
Der Eiserne wollte es nicht fassen. Er breitete die Arme aus und fragte verzweifelt: »Gibt es denn keine Chance, daß wir den Namenlosen irgendwie fassen können?«
»Nein, die gibt es nicht. Oder vielleicht doch«, schränkten die stummen Götter ein. »Nur kennen wir den Weg nicht, so leid es uns tut. Wir hätten dir gern einen Hinweis gegeben.«
»Es bleibt uns Hemator«, erklärte Myxin.
»Auch gegen ihn werdet ihr es schwer haben«, erwiderten die stummen Götter. »Er ist zwar nicht so mächtig wie der Namenlose, aber nicht umsonst wird er der Zerstörer genannt.«
»Zu dritt haben wir eine Chance!«
»Wenn ihr in seine Welt gelangt.«
»Ist das so schwierig?« fragte der kleine Magier weiter.
»Ja, er schirmt sie gut ab. Er hat Sicherheiten aufgebaut. Wen er nicht haben will, den läßt er nicht hinein. Er holt sich seine Opfer, dafür ist er bekannt.«
»Aber es gibt einen Weg!« rief der Eiserne. »Deshalb sind wir ja zu euch gekommen. Ihr wißt den Weg, durch den wir auch seine Grenzen überwinden können.«
Die stummen Götter rührten sich nicht. Vielleicht ahnten sie, worauf der Eiserne Engel hinauswollte.
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