0353 - Flucht vor dem Grauen
stummen Götter. Es waren Züge, die ein ungeheuer großes Vertrauen abstrahlten, Menschlichkeit, Güte und Verständnis. Obwohl sie eingemauert waren, erkannten Kara und Myxin das Vertrauen, das ihnen aus den großen Augen der stummen Götter entgegenstrahlte.
»Es ist unwahrscheinlich«, hauchte die Schöne aus dem Totenreich, »daß es so etwas noch gibt.«
»Ja, das erfüllt mich stets mit Hoffnung«, erklärte der Eiserne Engel, als er stehenblieb.
Nicht ohne Grund hatte er seinen Schritt gestoppt und drehte sich so, daß er in die Gesichter seiner Väter schauen konnte.
Sie hielten sich ungefähr in der Schluchtmitte auf, so daß sie vom Anfang bis zum Ende etwa die gleiche Entfernung besaßen. Kara und Myxin waren einen Schritt zurückgetreten, das hier war nicht ihre Welt. Sie gehörte den stummen Göttern und demjenigen, der sich als ihr Sohn bezeichnete.
Ein Gefühl des Respekts und der Ehrfurcht hatte die beiden erfaßt. Auch der Eiserne Engel war davon nicht unbeeindruckt geblieben. Bevor er sprach, verneigte er sich.
Danach drückte er seinen Oberkörper wieder hoch. Während dieser Bewegung verzogen sich die Lippen der Gesichter zu einem Lächeln. Man konnte es mit den Worten freundlich und gütig umschreiben. Kara und Myxin bekamen ein Gefühl der Sicherheit. Sie waren in der Schlucht irgendwie geborgen.
»Ich bin zu euch gekommen, um euch etwas zu berichten und um euch um etwas zu bitten«, erklärte der Eiserne.
»Dann sei gegrüßt, Sohn!«
Niemand wußte, wer von den stummen Göttern gesprochen hatte, wahrscheinlich alle sechs, denn der letzte Satz schwang wie ein leises Echo durch die gesamte Schluchtlänge. »Und auch deine Gefährten möchten wir herzlich willkommen heißen. Es sind gute Personen, wir erkennen es genau. Sie stehen dir zur Seite im Kampf gegen unsere Feinde.«
»Ja, das tun sie«, erwiderte der Eiserne, »denn uns ist etwas gelungen, das kaum für möglich gehalten wurde.«
»Und was?«
Die Frage hätte nicht gestellt zu werden brauchen, denn die stummen Götter lächelten so wissend, daß sie einfach schon informiert sein mußten.
»Es gibt nicht mehr alle Großen Alten!«
»Das haben wir gespürt«, lautete die Antwort. »Wir merkten es sehr deutlich, denn ihre Magie, die auch uns berührte, wurde schwächer, ohne uns allerdings die Kräfte zurückgeben zu können, die wir nötig haben. Du hast nicht alle vernichtet, Eiserner.«
»Nein, das gelang uns leider nicht.«
»Wer wurde zerstört?«
»Mein Zwillingsbruder, Krol, Kalifato und Gorgos, der Gläserne. Damit stürzten auch die Welten der Großen Alten zusammen, und zwei sind noch übriggeblieben.« Der Eiserne breitete die Arme aus.
»Ausgerechnet die beiden gefährlichsten. Hemator und der Namenlose.«
Die stummen Götter reagierten nicht. Erst nach einer Weile stellten sie wieder eine Frage. »Wie habt ihr sie getötet?«
Der Eiserne berichtete. Er log nicht, sondern fügte Tatsache an Tatsache zusammen.
Die stummen Götter hörten zu. Auch sie mußte es brennend interessieren, daß ihre Erzfeinde, die Großen Alten, nicht mehr waren, und daß vor allen Dingen auch die beiden letzten nicht mehr überleben sollten.
»Gegen Hemator und den Namenlosen wollen wir noch kämpfen«, erklärte der Eiserne zum Schluß.
»Da habt ihr euch viel vorgenommen«, klang es echomäßig zurück.
»Ja, das wissen wir, aber wir müssen es einfach versuchen. Es führt kein Weg daran vorbei.«
Die stummen Götter reagierten zunächst einmal nicht. Schließlich meldeten sie sich wieder. Und über diese Worte wunderten sich Kara und Myxin, denn sie klangen nicht gerade optimistisch. »Ich weiß nicht, ob es euch gelingen wird, Hemator und den Namenlosen zu vernichten. Sie sind die gefährlichsten.«
Der Eiserne Engel nickte. »Ja, das wissen wir auch, und es wird schwer für uns werden, aber wir wollen es versuchen. Im Sog der vier Getöteten müßten wir die anderen auch schaffen.«
»Kennst du den Namenlosen?«
»Nein.«
»Weißt du, wie er aussieht?«
»Auch das nicht.«
»Wenn du es wüßtest, würdest du es bestimmt nicht versuchen, das glauben wir.«
»Dann kennt ihr ihn?«
»Ja.«
Der Eiserne, Kara und Myxin schauten sich an. Mit dieser Wende hatten beide nicht gerechnet. Alles wies daraufhin, daß der Namenlose, trotz allem einen Namen besaß, und die drei Gefährten hatten auch das Gefühl, als wollten die Großen Alten das Rätsel dieses Dämons lüften. Die drei schwiegen und warteten auf eine
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