0354 - Gruft der wimmernden Seelen
über seine Lippen, als er die Hand wieder zurücknahm.
»Nein!« flüsterte er. »So nicht, Freunde. Auf diese Art und Weise könnt ihr mich nicht packen!« Scharf war das Lachen, das aus seinem Mund drang. »Ich werde euch schon anders kriegen…«
Er drehte sich hastig um und ging wieder auf sein eigentliches Ziel zu, die beiden Särge.
Den ersten überkletterte er. In ihm lag Jane Collins nicht. Blieb der zweite.
Suko bückte sich und stellte auch fest, daß der Schauergesang der Gesichter leiser geworden war. Er begleitete ihn nur mehr als Hintergrundmusik, ansonsten war nichts zu hören.
Der Inspektor wollte sich nicht mehr aufhalten lassen. Mit beiden Händen umfaßte er den unteren Rand des Deckels und wuchtete ihn dann mit einer schnellen Bewegung hoch.
Seine Lampe benötigte er nicht mehr. Die in den Wänden zu sehenden Gesichter strahlten eine bleiche Helligkeit ab, die Suko durchaus reichte.
Ebenso bleich wie die Fratzen in den Wänden war auch Janes Gesicht, in das Suko starrte, nachdem er den Sarg geöffnet hatte.
»Hab ich dich«, sagte er voller Triumph!
***
Ja, er hat dich!
Das dachte Jane, die noch immer auf dem Rücken lag, den Kopf jetzt zur Seite gedreht hatte und schräg aus dem Sarg schaute, wobei sie in Sukos Gesicht sah.
Es war sein Gesicht. Jane kannte ihn genau. Es waren seine Züge, und dennoch gehörten sie nicht zu ihm. Irgendwie zeigten sie eine Veränderung. Sie waren anders geworden, kälter und auch abgebrühter.
Unverhohlener Triumph las sie in seinen Augen, denn Suko hatte es geschafft.
Obwohl er nach dem ersten Satz noch kein Wort gesprochen hatte, wußte Jane auch ohne Erklärung, was er von ihr wollte.
Den Würfel!
Seine Augen waren auf ihn gerichtet. Sie klebten an ihm wie ein Magnet, dabei lag in den Pupillen ein wildes Leuchten. Der Mund stand offen, er atmete durch die Nase, und die Lippen hatten sich verzogen.
»Jane Collins!« flüsterte er rauh. »Was habe ich dich gesucht! Jetzt entkommst du mir nicht!«
Jane beschloß, ein wenig Zeit zu gewinnen und so zu tun, als wüßte sie von nichts. »Wieso hast du mich gesucht, Suko? Du wußtest doch, wo ich zu finden bin!«
»Steig aus dem Sarg!«
»Gern. Und dann?«
»Los, steig schon aus!«
Jane sah hier einen völlig anderen Suko vor sich, als den, den sie kannte. Er war ihr an körperlicher Kraft weit überlegen. Es hatte keinen Sinn, sich seinen Befehlen zu widersetzen, also tat sie, was er ihr geheißen hatte.
Sie drehte sich auf die linke Seite und spürte wieder unter sich den Toten. Noch einmal rann ein Schauder über ihren Rücken, und sie hätte am liebsten geschrien.
Dann richtete sie sich auf. »Wo ist der Pater?« fragte sie dabei.
»Draußen!«
Jane stieg mit dem rechten Bein zuerst aus dem Sarg. »Wie draußen? Im Innenhof?«
»Nein, er liegt vor der Tür. Ich habe ihn niedergeschlagen, deinen Pater!«
Jane zeigte Erschrecken. Und das war nicht gespielt. »Du… du hast ihn niedergeschlagen?«
»Genau!«
»Aus welchem Grund? Was hat dir der Pater getan?« Sie hatte jetzt den Sarg verlassen.
»Er stand uns im Weg!«
»Und wer ist uns?«
Plötzlich begann Suko zu grinsen. Im bleichen Licht der Fratzen wirkte sein Gesicht schwammig, und es wurde noch breiter, als er die Lippen verzog.
»Der Spuk und ich!« flüsterte er. »Hast du genau zugehört, Jane Collins? Der Spuk und ich. Wir beide arbeiten zusammen. Und wir beide haben nur ein Ziel. Wir wollen ihn!« Beim letzten Satz war Sukos Hand vorgeschnellt. Der ausgestreckte rechte Zeigefinger deutete direkt auf den Würfel in der Trageschlaufe.
»Nein!« Jane schrie das eine Wort und sprang zurück. Sie hatte gut achtgegeben und flankte über den offenen Sarg hinweg. An der anderen Seite fiel sie gegen die Mauer. Dabei spürte sie ebenfalls die kalten Stellen der Steine.
»Das nutzt dir nichts«, flüsterte Suko. »Wenn du ihn nicht freiwillig hergibst, hole ich ihn mir.« Schon beim letzten Wort war er vorgegangen, aber Jane ließ sich nicht beirren. Sie hatte den Ausgang gesehen, der links von ihr lag.
Mit einigen raschen Sprüngen setzte sie sich in Bewegung und rannte zuerst auf die schmale Treppe zu.
Nicht umsonst gehörte Suko zu den besten Karatekämpfern. Aus dem Stand sprang er vor. Sein vorgestrecktes Bein reichte aus, um Jane Collins noch vor der Treppe und der Tür zu erwischen.
Sie spürte den Treffer an ihrem Oberschenkel. Ausgleichen konnte sie den harten, wuchtigen Stoß nicht mehr. Sie geriet aus der Richtung und
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