0354 - Gruft der wimmernden Seelen
bleibt dir überlassen, aber ich kann euch sagen, daß die Große Mutter bereit war, ihn aufzunehmen. Asmodis stieß ihn von der Brücke zwischen den Welten in die schreckliche Tiefe. Suko befand sich auf dem Weg, er hat bereits einen Blick auf die Große Mutter werfen können, als ich plötzlich da war und ihn umfing. Ich habe dafür gesorgt, daß er aus der Dimension des Teufels herausgeschleudert wurde und daß er überhaupt noch als Mensch existiert. Verlangt das nicht eine Dankbarkeit, wenn man Mensch ist und mit diesen Tugenden ausgestattet ist?«
»Im Prinzip schon«, gab ich zurück. »Nur würde ich einem Dämon wie dir gegenüber keine Dankbarkeit zeigen.«
»Du nicht, Geisterjäger. Andere doch.«
»Das kann ich nicht glauben«, hielt ich dem Spuk vor. »Ich kenne Suko lange genug. Wahrscheinlich wirst du seine Dankbarkeit manipuliert haben, damit du ihn für deine Zwecke einspannen konntest. Du bist nicht anders als die übrige Dämonenpest.«
»Große Worte, Sinclair. Ich gebe zu, ich wollte den Würfel, und ich habe auch bei Shao angerufen oder mich gemeldet, damit ihr wißt, was euch bevorsteht. Ich wollte, daß ihr mit offenen Augen in euer Verderben rennt, denn so schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich muß euch zugestehen, daß ihr gut reagiert habt, und ich muß dir, Sinclair, auch ein Kompliment machen. Du hast mit dafür gesorgt, daß meine Brüder vernichtet wurden. Aber sie taugten nicht mehr viel. Es waren Narren, sie haben die Zeichen der Zeit einfach übersehen. Atlantis existierte nicht mehr. Die Welt hat sich verändert. Andere Rassen und Menschen bewohnen sie. Die alten Rituale sind in Vergessenheit geraten oder völlig aus dem Gedächtnis der Menschheit gestrichen worden. So ist das nun einmal, und daran wollten sich meine Brüder nicht halten. Sie glaubten noch immer, daß alles wie früher wäre und sie allein durch ihr Auftauchen die Menschheit in die Knie zwingen konnten. Das klappte nicht mehr. Heute verlangt ein Angriff mehr Raffinesse. Wie man es macht, habe ich bewiesen, und ich stellte schon früher fest, daß ich meinen eigenen Weg gehen mußte, um Macht zu erlangen und Feinde in die Knie zwingen zu können. So ist das, so wird es immer bleiben. Nun stehe ich vor dem größten Triumph. Ich werde bald den Würfel des Unheils in meinem Besitz haben. Dann lasse ich die Hölle tanzen. Und nicht allein sie, auch die Menschheit wird sich an einen neuen Herrscher gewöhnen müssen, das will ich euch sagen. Dabei gebe ich zu, daß ihr es raffiniert angestellt habt. Das Kloster war tatsächlich ein guter Hort für Jane Collins und den Würfel. Auch mir sind dadurch gewisse Grenzen gesetzt worden, die jetzt nicht mehr existieren. Suko hat es geschafft. Er ist eingedrungen in die Gruft der wimmernden Seelen, um den Würfel an sich zu nehmen. Nichts kann ihn jetzt noch hindern.«
Es war eine lange Rede, die wir uns hatten anhören müssen. Ich war davon überzeugt, daß der Spuk nicht gelogen hatte. So wie er es uns gesagt hatte, mußte es sich abgespielt haben.
»Deine Antwort, Sinclair?«
»Ich glaube dir erst, wenn du mir den Würfel persönlich zeigst.«
Der Spuk lachte dröhnend. »Dazu wird es nicht kommen, Geisterjäger, denn vorher werde ich euch vernichten! Ich sprach doch davon, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.«
Die letzten Worte hatten Shao hart getroffen. Ich hörte ihre flüsternde Stimme dicht an meinem Ohr. »Können wir etwas tun, John?«
»Wohl kaum.«
»Sehr richtig«, erwiderte der Spuk, der die Worte verstanden hatte. »Ihr könnt nichts tun. Ihr schwebt über den Bergen. Wenn ich will, lasse ich euch abstürzen…«
»Und weshalb hast du uns nicht schon vorher umgebracht?« fragte ich. »Ich meine, du hattest schließlich alle Chancen, dies zu tun, wenn ich da an gewisse Begegnungen denke, die wir schon zusammen gehabt haben. Da hättest du es viel eher und besser schaffen können.«
»Eine gute Frage, und ich will dir die Antwort auch nicht vorenthalten. Wie du weißt, habe ich dir von meinen Brüdern berichtet, die ihren eigenen Weg gingen. Das war nicht gut. Zudem wußte ich, daß es einmal zum großen Kampf kommen würde. Das ist geschehen und vorbei. Ich bin übriggeblieben, so wie ich es mir vorgestellt habe. Jetzt brauche ich nur noch den Würfel.«
Während der Spuk erklärte, hatte ich mein Kreuz auf der rechten Handfläche liegen, es aber mit den Fingern der linken abgedeckt.
Jetzt nahm ich die andere Hand weg. Falls es noch
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