0354 - Gruft der wimmernden Seelen
auf.
Schweißgebadet war ich, als ich so starr auf dem Sitz hockte und hinter mir die Bewegung vernahm. Shao war nach vorn gerutscht.
Sie berührte mich. Ihre Finger waren kalt, als sie über meinen Nacken strichen. »John!« flüsterte sie, »was ist geschehen?«
Ich lachte bitter. »Wir stehen in der Luft!«
»Das habe ich bemerkt. Und wir können nichts sehen.«
»Genau, meine Liebe, genau. Der Spuk hat die Vorhänge zugezogen.«
»Mein Gott.« Shao drehte den Kopf, um auf den Pilotensitz schauen zu können.
Dort lag der Mann, der uns zum Kloster hatte bringen sollen. Sein Kopf war zur Seite gefallen, so daß wir beide nicht in sein Gesicht zu schauen brauchten.
Der Tod dieses Menschen war so verdammt sinnlos gewesen.
Aber wer fragte bei Dämonen, wie der Spuk einer war, schon nach dem Sinn? Niemand.
Ich hatte mein Kreuz, und ich dachte daran, daß es den Spuk schon einmal gestoppt hatte. Das war vor langer Zeit gewesen, als ich in New York gegen die Horror-Cops kämpfte. Schaden konnte es nicht, wenn ich es hervorholte. Lilith hatte zwar versucht, das Kreuz zu vernichten, es war ihr nicht gelungen, nur die von mir noch nicht enträtselten Zeichen hatte sie aus dem Silber herausgenommen.
Als ich es hervorholte, bekam auch Shao wieder ein wenig Hoffnung. »Klappt das?«
»Ich hoffe es.«
»Aber der Spuk gehört zu den Großen Alten…«
»Leider. Dennoch habe ich Hoffnung, denn er ist nicht den gleichen Weg gegangen wie seine Brüder. Er hat sich stets direkt mit der Hölle beschäftigt und sich gewissermaßen den modernen Zeiten angepaßt. Vielleicht erreichen wir etwas. Große Hoffnungen allerdings brauchst du dir nicht zu machen.«
Ich nahm mir die Zeit und schaute mein Kreuz genauer an. Es spürte etwas von der fremden Magie, die uns eingekesselt hatte. An verschiedenen Stellen hatte sich das Silber erwärmt. Es blitzte dort auch hin und wieder auf, als würden Funken über das Kreuz tanzen. Besonders dort, wo sich die Insignien der vier Erzengel befanden.
»Du hast doch auch noch die Dämonenpeitsche«, flüsterte Shao hinter mir.
»Klar. Sie wird uns kaum helfen. Der Spuk bietet so gut wie keine Angriffsfläche. Das ist eine amorphe Masse. Furchtbar, wie eine Wolke aus Ruß.«
»Sehen kann man nichts!« hauchte Shao.
Ich hob die Schultern und starrte ebenfalls in die Schwärze. Aus eigener Kraft würden wir uns nicht befreien können, wir mußten schon warten, bis es dem Spuk einfiel, etwas zu unternehmen.
»Was kann er tun?« fragte Shao, die sich mit ähnlichen Gedanken beschäftigte wie ich.
»Abwarten.«
»Und inzwischen dreht Suko durch, oder sie machen ihn fertig.«
Shaos Stimme hatte einen schrillen Unterton bekommen. Ein Zeichen, daß sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand.
»Reiß dich zusammen«, beschwor ich sie. »Um Himmels willen, dreh nicht durch, das können wir uns nicht erlauben.«
»Okay, okay, aber diese lebensgefährliche Ungewißheit macht mich fertig. Auch wegen Suko…«
»Braucht ihr euch keine Sorgen zu machen!«
Urplötzlich vernahmen wir die Stimme. Wo sie herkam, wo sich der Spuk genau befand, das wußten wir nicht. Man konnte ihn nicht lokalisieren. Wenn er sprach, redete die Wolke, so nahmen wir dies wieder einmal als magisches Phänomen hin.
Hätte Shao Platz gehabt, so wäre sie aufgesprungen. So aber blieb sie steif und verkrampft sitzen, während auch ich mich ruhig verhielt und auf eine weitere Bemerkung unseres großen Gegners lauerte.
»Er befindet sich unter meinem Schutz!«
Diesmal ließ ich den Satz nicht ohne Erwiderung verstreichen.
»Was soll das? Unter deinem Schutz befinden sich normalerweise nur Schwarzblütler und keine Menschen. Das sollte auch dir klar sein.« Bewußt hatte ich provozierend gesprochen.
»Ist Suko noch ein Mensch?«
»Ja, das ist er!« schrie Shao. »Auch du kannst es nicht schaffen, ihn auf deine verdammte Seite zu ziehen!« Sie hatte sich gebückt hingestellt und schaute sich wild um, als könnte sie in der uns umgebenden schwarzen Wolke eine Antwort lesen.
Der Spuk lachte. »Aber du hast recht«, gab er zu. »Er ist noch ein Mensch. Und Menschen besitzen Tugenden, wie ich herausgefunden habe. Unter anderen zählt die Dankbarkeit dazu, versteht ihr? Die Dankbarkeit.«
»Was soll das?« fragte ich.
»Der Mann, den ihr Suko nennt, ist mir ungeheuer dankbar, denn ich habe ihm das Leben gerettet. Wäre ich nicht gewesen, würde er jetzt in der Hölle schreien.«
»Das glaube ich nicht!« rief Shao.
»Es
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