0354 - Mordmotiv nach Maß geschneidert
Papier.
Der Strich war rot.
Die winzigen Blutspuren in der Ritze würden unserem Labor genügen, um feststellen zu können, ob es Rudys Blut war.
Wenn ja, würde der Besitzer des Messers noch sehr bedauern, dass er nicht besser darauf aufgepasst hatte.
***
Nachdem sich die Kidnapper auch bis zum anderen Morgen noch nicht gemeldet hatten, baten wir Mr. High, unseren Chef, um Rat. Vielleicht erwartete er Ergebnisse von uns, aber wir kamen mit leeren Händen.
Im Labor hatte man zwar schon herausgebracht, dass die Blutspuren auf dem Messer, das ich gefunden hatte, mit der Blutgruppe von Rudy Oats übereinstimmten, doch was half uns das?
Vic Tucker wollte versuchen, den Hersteller des eigenartigen Messers zu finden. Eventuell würde dabei etwas Brauchbares herauskommen.
Mr. High hörte sich unseren mageren Bericht schweigend an.
Als wir nichts mehr zu sagen hatten, lächelte er und meinte: »Es ist noch nicht oft vorgekommen, dass so intensive Bemühungen derart magere Ergebnisse ergaben, nicht wahr?«
»Genau«, sagte ich.
»Und was haben Sie als nächstes vor, Jerry?«
»Zuerst möchte ich mich mit den Seabrooks über das Testament der alten Mrs. Victoria unterhalten. Dann will ich mir von Rudy erzählen lassen, wer ihm gestern so übel mitgespielt hat.«
»Das wird sich bestimmt lohnen, Jerry. Ich .wünsche viel Erfolg.«
Wir verließen das Büro Mr. Highs und fuhren sofort in die Lexington Avenue, wo sich das Seabrook-Büro befand.
***
Marmor, Chrom und Glas glitzerten und blinkten, und in steinernen Kübeln standen große tropische Blattpflanzen.
Alles schien auf völlige Lautlosigkeit gedrillt zu sein. Vom Lift hörte man nur ein gedämpftes Summen, die livrierten Angestellten flüsterten nur.
Schon in der imposanten Halle hauchte uns ein schmalbrüstiger Diener zu, Mr. Steven Seabrook sei nicht im Haus, er würde heute auch nicht mehr zurück erwartet.
»Dann möchten wir zu Mister Randolph Seabrook.«
Das war lfeichter gesagt als getan. Randolph Seabrook hatte sich mit Sekretärinnen umgeben wie mit einem schützenden Drahtverhau.
In einem saalartigen Büro, einer ausgesprochen kalten Pracht, thronte er hinter einem riesigen Schreibtisch, der mit Apparaturen ausgerüstet war wie eine Flugzeugkanzel. Mr. Randolph forderte uns auf, Platz zu nehmen. Er drückte auf einen Knopf, ein blaues Lämpchen leuchtete auf, und eine weibliche Stimme sagte: »Sie wünschen, Mister Seabrook?«
»Sorgen Sie dafür, dass ich während der nächsten zehn Minuten ungestört bleibe, Miss Goldwater«, sagte er, und die unsichtbare Miss antwortete: »In Ordnung, Sir.«
Phil schmunzelte. Es belustigte ihn wohl ebenso wie mich, dass Randolph Seabrook uns so diskret zu verstehen gab, für uns nur zehn Minuten Zeit zu haben.
Nun, wir würden ja sehen!
Er schob uns eine Holzkassette zu, in der sich überlange Zigaretten mit schwarzem Mundstück und dem goldenen Monogramm RS befanden.
»Bedienen Sie sich, meine Herren«, näselte er.
»Das Testament führt uns zu Ihnen, Mister Seabrook«, sagte ich.
Er zog die Brauen hoch.
»Ein Testament? Welches Testament denn? Meins vielleicht?«
»Uns interessiert, wann das Testament Ihrer Mutter eröffnet wird.«
»Ah!«
Seine Augen wurden schmal. Er senkte langsam die Lider und zuckte die Achseln.
»Tut mir leid«, sagte er mit seiner kühlen, kultivierten Harvard-Stimme. »Tut mir leid, aber meine Mutter hat kein Testament hinterlassen. Leider, wie ich betonen muss.«
Ich starrte ihn verblüfft an.
»Aber Mister Scott hat mir doch gesagt…«
»Rory ist ein Esel!« Zum ersten Mal wurde Randolphs Stimme lebhafter. »Entschuldigen Sie, Agent Cotton, aber das stimmt. Er ist doch erst seit ein paar Tagen wieder aus Europa zurück und konnte, als er mit Ihnen sprach, noch kaum über den neuesten Stand der Dinge unterrichtet sein. Selbstverständlich war ursprünglich ein Testament da. Aber meine Mutter muss sofort nach Teddys Verhaftung bei Scott & Moore angerufen und angeordnet haben, das Testament zu vernichten. Gleichzeitig hat sie für den nächsten Tag Scott Sen. zu sich bestellt, um mit ihm ein neues Testament aufzusetzen. Aber sie erlebte diesen nächsten Tag nicht mehr. Das kam für uns alle völlig unerwartet. Aber sie hing eben sehr an Teddy, und die Sache mit ihm hat sie stark mitgenommen.«
Randolph biss grimmig die Zähne zusammen. »Uns«, fuhr er fort, »wäre es wirklich lieber, wenn ein Testament vorhanden wäre. Denn ich fürchte, dass es nicht ohne
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