0354 - Mordmotiv nach Maß geschneidert
sagen, was wir jetzt miteinander besprochen haben. Teddys und auch Ihr Leben könnten davon abhängen. Versprechen Sie es mir?«
Sie nickte stumm. Wieder glänzten Tränen in ihren Augen.
»Noch eins, Marie-Lou: Wann ist Ihre Großmutter gestorben?«
»Teddy wurde Freitagnachmittag verhaftet, und Samstag früh war Großmutter tot.«
***
Ich fuhr mit dem Lift in das siebente Stockwerk hinauf und stand dann bald vor der Tür, neben der ein diskretes Schildchen verkündete: Michael Fairfax, M. D.,'Sprechstunden nur nach Vereinbarung. Marie-Lou hatte mir die Adresse des Arztes gegeben.
Die Klingel gab einen höchst vornehmen Summton von sich, die Tür 50 ging auf, und im nächsten Augenblick starrte ich voller Bewunderung auf die lieblichste Komposition in Schwarz und Weiß, die mir je unter die Augen gekommen war.
Weiß waren der Kittel und das Schwesternhäubchen und schwarz die glatten Haare, die bis auf die Schultern hinabfielen, schwarz wie Rabenschwingen. Und bei all ihrer Schönheit lächelte sie noch freundlich. So freundlich, dass ich Mut bekam und fragte: »Ist der Doktor zu sprechen?«
»Sind Sie angemeldet, Mister…?«
Ich schüttelte den Kopf, zog jedoch gleichzeitig meinen blau-goldenen FBI-Stern aus der Tasche und hielt ihr ihn auf der offenen Hand hin.
»Cotton«, ergänzte ich.
»FBI?«, fragte sie. »Kommen Sie herein, Agent Cotton. Der Doktor wird Sie bestimmt sofort empfangen.«
Er empfing mich sofort. Ein würdiger, Vertrauen erweckender Mann mit gletscherblauen Augen und silbergrauen Schläfen. Ein Modearzt wie aus Harpers Magazin. Sogar sein weißer Kittel war maßgeschneidert.
»Womit kann ich Ihnen helfen, G-man?«
»Mit dem Totenschein von Mrs. Victoria Seabrook, Mister Fairfax«, erklärte ich ihm kurz und bündig. Ich glaubte, er würde erschrecken, ein betroffenes Gesicht machen, aber nichts!
Er drückte auf eine Klingel, ein anderes Girl, braunhaarig diesmal, schwebte herein, und Dr. Fairfax trug ihm auf, den Durchschlag des Totenscheins von Mrs. Victoria Seabrook herbeizuschaffen.
Zehn Minuten später hielt ich das Papier in der Hand und studierte es eingehend.
»Todesursache Herzschlag«, las ich vor.
Er sah mich verständnislos an.
»Und?«
Es gelang mir, gelassen zu bleiben. »Mrs. Seabrook ist aber nicht an einem Herzschlag, sondern an einer Kugel im Herzen gestorben, Mister Fairfax.«
Er wurde zuerst kreidebleich, dann puterrot.
»Das ist doch nicht möglich!«, keuchte er. »Das darf doch nicht wahr sein! Das wäre doch…«
»Seltsam«, sagte ich, »genau, Doktor Fairfax, das wäre recht seltsam.«
Er warf mir einen verächtlichen Blick zu.
»Als FBI-Beamter sollten Sie eine bessere Beobachtungsgabe haben, Agent Cotton. Sehen Sie sich doch die Unterschrift auf dem Schein an.«
Ich sah sie mir an.
Da stand: Sean Masters, M. D., in Vertretung von Dr. M. Fairfax, M. D.
»Mister Masters hat mich im September hier vertreten«, sagte Mr. Fairfax. »Ich selbst habe von Mitte August bis Ende September Urlaub in Kanada gemacht. Das können Sie sehr leicht nachprüfen, Agent Cotton.«
»Und Mister Masters? Wo ist er jetzt?«
Fairfax zuckte die Achseln.
»Ich weiß nicht. Er hat seine Praxis aufgelöst und ist unmittelbar nach meiner Rückkehr auf die Bahamas geflogen.«
Er machte eine kleine Pause und runzelte die Stirn. »Jetzt weiß ich auch, warum. Aber an meiner Praxis, an meiner Person bleibt es hängen! Wenn auch nur eine Menschenseele davon erfährt, gibt es einen ungeheuerlichen Skandal.«
»Den Schein nehme ich mit, Mister Fairfax«, sagte ich, mich erhebend. »Ich werde versuchen…«
Er sprang von seinem Sessel auf und kam hinter dem Schreibtisch hervor.
»Werden Sie die Presse informieren?«, fragte er ängstlich. »Was werden Sie tun?«
»Mrs. Seabrook exhumieren lassen.« Ich kniff die Augen zusammen und fügte hinzu. »Wenn Sie wollen, können Sie dabei sein, Mister Fairfax.«
***
Es dauerte nicht lange, bis wir den Richter von der Notwendigkeit der Exhumierung überzeugt hatten. Mehrere G-men umstanden die Gruft, sicherten den Friedhof ab, als Doc Spears den Sarg auf schraubte. Ein kleiner Blick genügte: Mrs. Seabrook war erschossen worden.
Am nächsten Morgen ließ ich mich gegen 9.30 Uhr bei Mr. Scott Sen. melden. Ich wollte mehr über das Testament der ermordeten Dame wissen.
Scott Sen. war ein kleiner, schlanker Mann von unglaublicher Fixigkeit und Geschäftigkeit. Während ich ihm gegenübersaß, hielt er mit der Linken den
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