036 - Die Hand des Würgers
scheuert.
Natürlich habe ich es gewollt, aber ich leide trotzdem darunter. Das Halseisen ist sehr unbequem, und es gelingt mir kaum, eine Lage zu finden, wo ich es weniger lästig empfinde. Wenn ich einschlafen will, muß ich mich wenigstens leidlich behaglich fühlen.
Ich will jetzt schlafen, deshalb schweige ich.
Ja, auch das Schweigen ist unbehaglich. Und vor allem ist die metallene Schlange da, die bei jeder Bewegung rasselt. Und immer glaube ich in der Dunkelheit das Schwirren von Schmetterlingsflügeln zu hören.
Sie bilden um mich herum einen Höllenkreis, in dessen Mittelpunkt das Gesicht einer Frau erscheint, das sich bewegt, das Trauer und sogar Entsetzen ausdrückt.
Corinne.
Wie kann ich es wagen, an sie zu denken? Ich bin doch nur ein Paria der Liebe und habe es noch niemals gewagt, mich einer Frau zu nähern. Wie soll sie, die Schöne, die Kluge, die Erfahrene, die so hoch über mir steht, sich zu mir herablassen?
Ich bin doch nur ein ganz elender Sklave, ein unglücklicher Dummkopf und Tölpel. Aber vielleicht wird sie dann immer sehr nett und freundlich zu mir sein, wenn ich ihr einen gräßlichen Schrecken einjage.
Corinne. Die Schlange. Die Schmetterlinge.
Ich schlafe.
Ja, ich war einige Zeit nicht wach. Und dann öffne ich wieder die Augen. Alles ist ganz schwarz um mich herum, so schwarz, daß ich nichts sehe, daß ich gar nicht weiß, wo ich mich befinde. Ah, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich bin ja im Keller. Ich muß seufzen, weil mir das Halseisen das Fleisch aufscheuert. Ich versuche eine bequemere Lage zu finden, aber die eiserne Schlange windet sich immer fester um mich, so als wolle sie sich in mein Fleisch hineinfressen.
Ich glaube immer noch die Schmetterlinge zu sehen, und ich denke an Corinne. Ich weine.
Ob ich wache oder träume? Ich weiß es nicht, aber ich höre sprechen. Ich versuche mich aufzusetzen, um nachzuschauen. Ich mache eine Bewegung, aber als ich den Fuß auf den Boden setze, ruft mich die Kette zur Ordnung.
Unglücklicher Pascal, du bist ein dummes, ekelhaftes Tier, dem man die Möglichkeit genommen hat, Schaden anzurichten. Du bist ja kein freier Mensch mehr. Du hast selbst darum gebeten und bist damit einverstanden gewesen, daß man dich ankettet wie ein wildes Tier. Du kommst nicht weit. Nur bis ans Ende deiner Kette. Bleib doch in deiner dunklen Ecke.
Aber ich lausche trotzdem.
Oben lacht man. Es sind zwei Personen. Renaud ist also nicht allein?
Ich bin allein im dunklen Keller, in der Düsterkeit verloren, eingesperrt und in die Ecke gedrängt wie eine Ratte, ich bin in meiner eigenen Falle gefangen und höre, daß oben gesprochen
wird. Aber ich kann kein Wort verstehen, kann nicht einmal vermuten, was da vorgeht.
Vielleicht ist Monsieur Feras gekommen?
Wie spät ist es übrigens? Ich könnte Licht machen, denn der Schalter für die Handlampe des Kellers ist in meiner Reichweite. Aber ich will keine Aufmerksamkeit erregen, denn oben an der
Treppenbiegung ist die Tür offen, die in das Wohnzimmer führt, und von dort aus könnte man den Lichtschimmer sehen.
Ich bleibe also im Dunkeln und verhalte mich ganz still. Ich darf mich nicht einmal bewegen, denn sonst würde man meine Kette klirren hören.
Die Ringe der Klapperschlange.
Ich seufze. Wie spät es sein kann? Es muß längst Mitternacht vorüber sein.
Wer kann um diese Zeit gekommen sein, um Renaud zu besuchen? Noch dazu in meinem Haus! Obwohl ich angekettet bin wie ein Tier, spielt sich all das in meinem eigenen Haus ab.
Allmählich glaube ich, daß es doch nicht Monsieur Feras sein
kann, der oben ist. Mir scheint, diese bizarre Lage hat mein Ohr geschärft, und vielleicht ist es sogar besser, wenn ich das nicht verstehen kann, was ich höre.
Renaud und sein Gesprächspartner bemühen sich offensichtlich, sehr leise zu sprechen, aber ich bin allmählich überzeugt, daß dies kein Partner, sondern eine Partnerin ist.
Eine Frau?
Es sieht ihm ähnlich, und erstaunt brauche ich darüber durchaus nicht zu sein.
Schließlich liegt der gewaltsame Tod der armen Loulou doch noch nicht lange zurück, und er ist noch keineswegs von jedem Mordverdacht gereinigt. Und jetzt ist dieser unverbesserliche Renaud schon wieder hinter anderen Mädchen her!
Oh, ich weiß natürlich, daß man im Dorf sehr oft über ihn spricht. Es zählt bei den Leuten nicht viel, daß er Glück hat bei den Mädchen. Allerdings hatte nicht nur ich angenommen, daß die schönen Mädchen sich nun etwas mehr
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