036 - Die Hand des Würgers
Arzt, ihre Schwiegermutter und Monsieur Feras es für besser gehalten haben, die Sache zu verschweigen. So war es auch verabredet.
Die Frau lacht wieder. Sie besteht darauf, daß sie in den Garten gehen sollen, und dorthin gehen sie auch. Jetzt kann ich nichts mehr verstehen, gleich darauf auch gar nichts mehr hören.
Und ich bleibe in der Finsternis des Kellers. Die Zeit kommt mir unendlich lang vor. Ich weiß nicht, wie spät es ist, wie lange es noch bis zum Morgen dauert. Ich stelle mir Renaud in den Armen dieser Frau vor, die gekommen ist, sich Renaud an den Hals zu werfen. Und er sagt bestimmt nicht nein, so aufgekratzt wie er ist. Und er ist stark wie ein Stier.
Dann kommt er wieder zurück. Ich höre, daß er allein ist. Er tut ein paar Schritte, bleibt dann unbeweglich stehen. Sie ist gegangen, ob sie ihn nun herumgekriegt hat oder nicht.
Er gießt sich etwas zu trinken ein und trinkt. Das höre ich genau. Dann streicht er ein Zündholz an. Und schließlich höre ich, wie er sich auf mein Bett fallen läßt. Auf mein Bett!
Und ich liege angekettet im dunklen Keller.
Wenn ich nur schlafen könnte!
Dieses Halseisen drückt entsetzlich, und mich friert. Mir ist eiskalt, und innerlich glühe ich. Wahrscheinlich habe ich Fieber.
Mit meiner Hand streichle ich Faraud, ein wenig ungeschickt, denn es ist ja die linke Hand. Vielleicht kann ich doch wieder ein bißchen einschlafen.
Dann fühle ich, wie der Hund den Kopf hebt.
Was geht da oben vor? Das war ein ganz leises, heimliches Geräusch. Ein Schritt?
Renaud wird jetzt schlafen. Ich höre, wie er ziemlich laut und gleichmäßig schnarcht.
Wenn er schläft, kann er nicht herumlaufen. Wer bewegt sich dort oben? Oder was?
Faraud möchte gerne nachschauen. Ich halte ihn fest, und zum Glück ist er sehr folgsam. Es genügt, wenn er meine Hand riecht.
Ich weiß nicht, weshalb, aber ich habe das merkwürdige Gefühl, daß oben im Erdgeschoß jemand ist; genau über mir. Und Renaud schläft. Aber er ist nicht allein.
In diesem Moment beginnt wieder der Tanz der Schmetterlinge. Warum? Sie schwirren aus der Finsternis heran, tanzen um mich herum, aber ich kann sie nicht sehen, obwohl ich ein paarmal die Augen auf und zu mache.
Aber sie sind da, und sie beobachten mich mit den Augen auf ihren Flügeln, mit ihren bunten Augen. Und es ist eine riesige Menge an Schmetterlingen. Sie wird immer größer. Sie umschwirren mich immer dichter, in immer größeren Schwärmen, und ihr Flattern und Tanzen hat einen bestimmten Rhythmus; sie sind wie eine Wolke, die sich mir nähert, um mich einzuhüllen.
Das Röcheln läßt mich aufspringen. Ich bin in Schweiß gebadet, zittere vor Kälte und Fieber, und das Halseisen hat mir eine Wunde am Nacken gescheuert, die sehr schmerzhaft ist.
Auch Faraud hat etwas gehört, aber ich habe ihn ganz mechanisch am Halsband festgehalten. Ich flüstere ihm zu, er müsse sich ganz still verhalten, denn sonst rennt er sofort zur Treppe. Ich will nämlich hören, was da oben vorgeht, ich will es wissen.
Wer kann dieses Geräusch gemacht haben, wenn es nicht Renaud war? Und ich höre nicht nur, was passiert, ich glaube es sogar zu sehen.
Renaud ist ein starker Bursche, aber seine ganze Kraft nützt ihm nichts, wenn er im Schlaf überrascht wird. Ein Schläfer kann sich nicht wehren; er ist sozusagen unbewaffnet. Daß er fest schläft, geht aus seinem Schnarchen hervor. Und er wird überfallen.
Angegriffen mit einer Hand.
Ich höre nämlich ein Seufzen, das wie abgeschnitten klingt, ein rülpsendes Keuchen. Eine unbekannte Kraft hat sich auf ihn geworfen und ihn an der Kehle gepackt.
„Ahhhhh! Ahhhhh!“
Renaud wird sterben. Ermordet. Erwürgt.
Die Hand ist wieder da.
Sie hat Loulou getötet, sie hat versucht, Corinne zu töten, die sich, Gott weiß wie, hatte losreißen können. Und diese unersättliche Hand kommt nun zurück. Sie hat nichts anderes im Sinn als Mord.
Sie scheint ganz selbstverständlich an meinem Handgelenk zu sitzen, und ich fühle sie in teuflischer Freude zittern, wenn sie die Nähe schöner, begehrenswerter Mädchen fühlt oder auch stattlicher junger Männer, welche diese Mädchen lieben.
Renaud ist in Gefahr.
„Renaud! Renaud!“
Instinktiv will ich aufspringen und ihm zu Hilfe eilen, doch die Kette, die schreckliche Kette hält mich fest und hindert mich daran.
Da packt mich die Wut. Ich reiße an dieser Kette, die mich festhält und die ich doch selbst für mich verlangt habe.
Nichts zu machen. Die
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