036 - Die Hand des Würgers
ich Ihnen das nicht erzählt? Pascal kann es Ihnen bestätigen.“
„Pascal?“
Corinne wendet sich mir zu und schaut mich an. „Pascal“, meint sie dann in einem etwas milderen Ton. „Pascal war doch im Keller, und Sie selbst waren so barbarisch, ihn anzuketten. Er konnte ja gar nichts gesehen haben, was dort vorgegangen ist. Er kann ganz und gar nicht wissen, ob überhaupt etwas passiert ist.“
„Wie bitte?“ erwidert Monsieur Feras. „Sie meinen also ...“
„Der Angriff, dem Renaud angeblich ausgesetzt war, kann ebensogut simuliert gewesen sein. Der Mord an Loulou, der Mordversuch an mir – sehen Sie denn nicht, daß der Täter nur versucht, mit der Vortäuschung eines Angriffes auf ihn den Verdacht von sich abzulenken und die Justiz in die Irre zu führen? Und er gibt doch zu, daß er seinen Angreifer nicht gesehen hat.“
„Tun Sie das nicht auch?“ fragt lächelnd Monsieur Feras.
„Ja, das stimmt. Aber mich hat man ja zu erwürgen versucht.“ In ihren schönen Augen spiegelt sich die Angst, die sie damals erlebt hat. Ah, wenn ich sie nur in die Arme nehmen dürfte! Corinne.
Monsieur Feras ist im Moment ziemlich verblüfft. Damit hatte der Amateurdetektiv nicht gerechnet.
„Na schön, meine Liebe. Wir müssen also der Polizei diese Dinge melden.“
„Es hat keinen Sinn, Renaud entlasten zu wollen. Wenn er schuldig ist, wird er schon noch gestehen.“
„Vielleicht haben Sie damit recht“, meint Feras. „Ich bin jedoch noch lange nicht überzeugt. Aber es macht nichts. Ich glaube, daß Renaud verhaftet wurde, wird mir zu einem Test verhelfen.“
„Wieso?“
„Nun, der arme Pascal war schon soweit, sich selbst anzuklagen. Ich weiß, daß es barbarisch war, ihn an die Kette zu legen, aber es war für seine eigene Bestätigung gut. Er hat ganz bestimmt nicht versucht, Renaud zu erwürgen, ob bewußt oder nicht, ist belanglos. Er war es nicht. Und er hat auch nicht versucht oder versuchen wollen, Sie zu töten. Auch Loulou hat er nicht getötet.“
Corinne lacht. Für dieses Lachen würde ich mein Leben geben.
„Armer Pascal. Ihn hatte ich nie im Verdacht, das schwöre ich Ihnen.“
Ich schaue sie voll Bewunderung an, und am liebsten würde ich ihre wunderschönen Hände mit heißen Küssen bedecken.
„Also, Pascal ist es nicht“, fährt Monsieur Feras fort. „Und Renaud ist im Gefängnis und des Mordes angeklagt. Wenn aber jetzt die Hand wieder von neuem …“
Corinne unterbricht ihn. „Aber das glauben Sie ‚doch selbst nicht! Der arme Pascal ist der Meinung, daß es seine amputierte Hand ist. Ich weiß es. Aber nein, das kann er doch nicht glauben! Und ich verstehe nicht, wie ein Mann wie Sie …“
„… eine so hypothetische und phantastische Erklärung akzeptieren kann? Meine liebe Corinne, das habe ich niemals gesagt. Aber die Erfahrung gilt hier kaum. Nehmen wir einmal an, daß einer von uns das Opfer eines neuen Angriffs wird – was würden Sie daraus schließen?“
„Ich sage Ihnen, das ist unmöglich!“
„Abwarten. Wir werden schon sehen.“
Ganz unvermittelt wird Monsieur Feras wieder ebenso heiter wie vor seiner Reise nach Paris, aber ich schaue gleichzeitig ein wenig verdutzt drein. Was soll ich dazu sagen?
Corinne ist selbstverständlich viel intelligenter als ich, und sie findet auch eine Antwort. „Sie überraschen mich, mein lieber Feras.“
„Weil ich lächle? Corinne, hören Sie mir zu: Ich bin ein Wissenschaftler, der sich für alles interessiert, für die Psychologie des Verbrechens ebenso wie für die Mysterien des Okkultismus und die Naturwissenschaften. Schön. Ich habe also beschlossen, diese mörderische Hand zu demaskieren, die uns alle so beunruhigt. Sie sind der Meinung, es sei richtig gewesen, Renaud zu verhaften. Ich glaube jedoch nicht daran, daß er eines solchen Verbrechens fähig wäre. Ich werde daher entzückt sein, wenn sich diese Hand wieder zeigt.“
„Um ein neues Verbrechen zu begehen? Oh, wie schrecklich!“
„Warum? Wir brauchen doch einen fehlgeschlagenen dritten Angriff.“
„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“
„Aber sicher! Ich meine es absolut ernst.“
„Na, schön“, sagte Corinne. „Aber angenommen, der Hand gelingt es diesmal, und es gibt nach dem Mord an Loulou einen zweiten? Werden Sie dann sehr glücklich sein, nur weil Ihre These bestätigt wird? Das ist doch ungeheuerlich!“
Monsieur Feras lächelt ein wenig boshaft.
„Nun, wir werden ja sehen. Verbrecher gehen oft in die Falle, die
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