0362 - Der Rachegeist von Houston
machen«, sagte Nicole.
Winter grinste. »Zu Van Clane kommt normalerweise nur, wer angemeldet ist. Er lebt abgeschirmt. Durchaus zu recht. Leute wie er, die zur Großindustrie und zum Geldadel gehören, sind gefährdet.«
»Wem sagen Sie das.« Zamorra dachte an den alten Stephan Möbius, den Seniorchef eines weltweiten Holding-Konzerns, mit dem er befreundet war. Möbius verzichtete auf Abschirmung und Leibwächter. Unauffälligkeit war seine beste Tarnung. Sein Sohn handelte ähnlich. Und Rob Tendyke in Florida – er hatte einmal angedeutet, ein Firmenimperium hinter sich zu haben. Und er streifte als Abenteurer durch die Welt und riskierte fast täglich Kopf und Kragen. Er war wohl von allen Millionären und Industriellen, die Zamorra kannte, am meisten gefährdet.
»Sie waren im Castle, ja?« hakte Nicole nach.
Winter nickte. »Ermittlungen in Sachen unerklärliche Vorfälle. Ich empfahl Van Clane, einen seriösen Parapsychologen hinzuzuziehen, aber er will davon nichts wissen.«
»Vielleicht, wenn wir mit Ihrer Hilfe direkt bei ihm auftauchen«, schlug Nicole vor.
»Van Clane frißt mich auf«, sagte Winter, »wenn ich Sie bei ihm einschleppe. Kommt nicht in Frage. Wissen sie was? Ich rechne mit weiteren Vorfällen. Wenn er wieder anruft, weil etwas passiert ist, gebe ich Ihnen Bescheid, und wir fahren zusammen hin. Dann benenne ich sie als meine Mitarbeiter.«
»Aber er ist in Gefahr. Der Geist, der das Castle heimsucht, wird ihn töten wollen.«
»Hm«, machte Winter. »Trotzdem werde ich mich nicht in Teufels Küche bringen. Hören Sie, Professor. Auch wenn ich der Sache ziemlich neutral gegenüberstehe – was glauben Sie, was passiert, wenn Van Clane sich beim Gouverneur über mich beschwert? Oder beim Bürgermeister? Dann ist meine Karriere beendet. Ich darf nicht an Spuk glauben, und ich darf erst recht keinem angesehenen Bürger und Steuerzahler obskure Okkult-Gurus und Geisterjäger-Scharlatane ins Haus schleppen. Das müssen Sie verstehen.«
Zamorras Gesicht verdunkelte sich etwas.
»Nehmen Sie es nicht persönlich, Sir«, warnte Winter. »Ich sagte schon – ich halte mich da raus. Ich bin neutral. Es ist mir völlig egal, ob es Geister gibt oder nicht. Aber andere werden diese Bezeichnungen anwenden. Damit müssen Sie rechnen.«
»Wenn wir bis zum nächsten Vorfall warten, kann es zu spät sein. Dann ist Van Clane vielleicht schon tot.« Nicole war ernsthaft besorgt.
»Tut mir leid. Wissen Sie was? Fahren Sie hinter mir her, und wir bereden alles im Office. Dort könnten Sie sich auch ausweisen, bitte.«
Zamorra nickte. »Sie wollen von dort aus meine… Reputation überprüfen lassen, nicht wahr? Ich hatte einen Lehrstuhl für Parapsychologie an der Sorbonne, ich halte dort auch heute noch Gastvorlesungen. Desgleichen an Universitäten überall auf der Welt. Zuletzt war ich in Bombay, Indien…«
»Mister Professor, das ist mir hier auf dem Highway herzlich egal, verstehen Sie?« knurrte Winter. »In meinem Wagen und in meinem Büro gibt es eine Klimaanlage, und hier draußen knallt mir die Sonne aufs Haupt! Ich will in den Schatten. Fahren Sie hinter mir her oder lassen Sie es bleiben.«
Er wandte sich ab und ging zum Wagen.
Zamorra atmete tief durch.
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, daß er so handeln muß. Er kann sich nicht einfach über die Privatsphären-Abgrenzung hinwegsetzen. Wenn Van Clane…«
Sie unterbrach sich.
Winter war eingestiegen und hing am Funkgerät. Jetzt sprang er wieder aus dem Wagen.
»Ich bekam gerade eine Dringlichkeitsmeldung aus dem Headquarter«, sagte er hastig. »Wenn Sie wollen, kommen Sie schneller als erwartet zum Castle. Fahren Sie hinter mir her.«
Nicole schnappte nach Luft.
»Richtig«, sagte Winter düster. »Es hat einen neuen Vorfall gegeben.«
Er spurtete zurück zum Wagen und startete. Die Rotlichter auf dem Dach begannen zu flackern. Der Sheriff wendete quer über den begrünten Mittelstreifen auf die Gegenbahn hinüber. Nicole tat es ihm der Einfachheit halber nach. Die Sirene des Polizeiwagens fegte ihnen die Straße zum Llanfayr Castle frei.
»Er fährt mit Rotlicht und Sirene«, sagte Zamorra finster. »Ich schätze, Sir Parcival, der Rächer, hat seinen ersten Mord begangen.«
***
Nachdem die Polizisten wieder fort waren, versuchte Van Clane zu arbeiten.
Er schloß sich per Computerleitung an die Zentrale seiner Firma an.
Aber er konnte sich einfach nicht so richtig konzentrieren. Immer wieder sah er den
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