0362 - Der Rachegeist von Houston
Sonne scheint, die Vöglein zwitschern…«
»Dergleichen geschieht«, murmelte Zamorra kraftlos. »Bist du sicher, daß das da am Fenster nicht aufgemalt ist?«
»Absolut sicher. Ich habe übrigens versucht, Rob zu erreichen. Aber auf Tendyke’s Home in Florida war nur Scarth zu erreichen, der Butler. Er verriet mir, daß Rob geschäftlich unterwegs sei. Er sei vor zwei Tagen nach China geflogen.«
»Was will er denn da?«
»Vielleicht verkauft er den Chinesen Reiskornschälmaschinen«, spekulierte Nicole. »Weiß der Kuckuck, womit er seine Geschäfte macht. Bei Gelegenheit sollten wir ihn mal fragen. Jetzt ist er auf jeden Fall nicht erreichbar.«
»Das heißt, wir sind also doch auf uns allein gestellt«, brummte Zamorra.
»Schalte den Tag aus, okay? Ich will noch schlafen.«
»Mitnichten, Monsieur.« Sie entzog ihm die Bettdecke. »Wetten, daß ich dich gleich wachbekomme?«
»Das ist gemein«, ächzte er. »Ich habe gestern schon genug getan. Ich habe Odysseus gerettet…«
»Deinen Odysseus kannst du dir langsam an den Hut stecken. Auf, oder ich schleife dich unter die Dusche.«
Seufzend erhob sich Zamorra. Er wußte ja selbst, daß die Zeit mit Sicherheit drängte. Vor allem, wenn Astaroth den Rachegeist gestärkt hatte. Der Parapsychologe machte sich ›landfein‹. Nicole hatte es fertiggebracht, für ein sehr verspätetes Frühstück zu sorgen – in einem Hotel dieser Klasse ließ sich das mit ein wenig Trinkgeld durchaus noch arrangieren.
Der Gast sollte zufrieden sein und das Haus nicht nur wieder besuchen, sondern auch weiterempfehlen.
»Hast du schon versucht, mit Van Clane in Verbindung zu kommen?« fragte Zamorra.
»Er ist nicht mehr in der Firma«, sagte Nicole. »Ich habe versucht, seine private Telefonnummer zu bekommen, aber man verweigerte mir die Auskunft. Der Ölbaron hat sich gut abgeschottet.«
»Nun, wo das Castle steht, werden wir wohl herausfinden. Dann fahren wir eben ohne Voranmeldung hin. Wir müssen sowieso hinein, denn wenn Sir Parcival irgendwo zuschlägt, dann in Llanfayr Castle selbst. Draußen in der einsamen Hütte wirkte er recht kraftlos. Es gibt eine Bindung an das Castle. Trotz der Stärkung durch Astaroth wird er sich nicht über die Gesetze der Zwischenwelt hinwegsetzen können.«
Nicole nickte.
Herauszufinden, wo man Llanfayr Castle neu errichtet hatte, war kein Problem. Im Hotel wußte man Bescheid. Wenig später waren sie im gemieteten Pontiac Firebird unterwegs. Sie mußten in die Stadt, sie durchqueren und anschließend über den Highway 290 in Richtung Satsuma. In der Innenstadt spiegelte das Sonnenlicht und der blaue Himmel sich in den vollständig verglasten Fassaden des über 270 Meter hohen Transco-Towers und diverser anderer teilweise alptraumhaft wirkender Glasbau-Werke des Architekten Philip Johnson. »Mir scheint, in Texas ist auch der Größenwahn ausgeprägter als anderswo«, kommentierte Nicole.
Sie fuhr den Pontiac. Der Highway senkte sich jenseits der Riesenstadt in die Ebene hinunter. Kurz vor Satsuma befand sich rechter Hand eine schier unendlich lange Abzäunung, die den Ausblick auf das Hinterland verhinderte. Dann kam eine Privatstraße mit weit geschwungener Ausfahrt.
Es gab hier keine Beschilderung, aber die Beschreibung war eindeutig.
Nicole bog ab. Offenbar wollte Adam Van Clane nicht unbedingt, daß bereits von weitem jeder seine Burg sah.
Jetzt, erst einmal auf der Privatstraße angelangt, konnte man die Burg in der Ferne erkennen. Sie erhob sich auf einem kleinen, künstlich angeschütteten Hügel, der in der flachen Landschaft aufragte. Nicole trat das Gaspedal des Pontiac durch. Auf Privatstraßen galt die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht unbedingt, und sie wollte den Wagen ausfahren.
Aber sie ließ es schnell wieder, als sie bemerkte, wie schwammig das Fahrwerk reagierte. Der Wagen besaß zwar einen starken Motor und sah schnell aus, aber auch schnell zu fahren konnte zum Risikospiel werden.
»Paßt absolut nicht in die Landschaft«, sagte Nicole. »Dieser Texaner ist ein Spinner. Wenn er unbedingt eine englische Burg haben will, soll er nach England umziehen. Oder das Ding in den Rocky Mountains an einen Berg klatschen. Aber hier in die Ebene gehört so etwas einfach nicht.«
Wenig später erreichten sie die Rampe, die zum Tor hinaufführte. Davor gab es wahrscheinlich eine Zugbrücke, gerade so, als sei die Burg hier echt. War sie auch, korrigierte Zamorra sich in Gedanken. Nur gehörte sie eben nicht
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