0363 - Nacht zwischen den Sonnen
Medikament breitete sich in Tschus Blutbahn aus und reinigte sein Gehirn von den düsteren Schatten der Erinnerung. Nur die reinen Fakten blieben erhalten.
„Hallo, Eileen...!" flüsterte Tschu und verzog das Gesicht zu einem schwachen Lächeln.
Eileen Dacran wischte ihm mit einem Tuch über die schweißnasse Stirn.
Sie sollten sich nicht mit Leuten wie Bysiphere einlassen, Sir", sagte sie ernst. „Was hat der verrückte Hyperphysiker denn nun wieder für ein Experiment versucht?"
Professor Tschu richtete sich auf. Eileen, seine schöne und intelligente Assistentin, selbst Doktor der Kosmopsychologie, half ihm dabei. Als sein Körper sich wie im Krampf zusammenzog, folgte sie Tschus Blick.
Sie entdeckte ein flaches, diskusförmiges Gebilde vom Durchmesser einer Männerfaust. Metallisch glitzernd schwebte es über einer körnigen schwarzen Staubschicht, die den Gerätetisch bedeckte. Von seinem Glanz ging etwas aus, das an den Blick eines Basilisken der terranischen Sagen erinnerte.
Eileen Dacran erschauerte unwillkürlich.
„Was ist das?" flüsterte sie.
Tschu Piao-Teh schüttelte seine Erstarrung ab. Seine Kopfbewequng wirkte trotzig, zugleich aber zeugte sie von der starken Entschlossenheit eines willenstarken Geistes, der sein Ziel genau kannte.
„Jonatan", gab er ruhig zurück. „Dieses Wesen heißt Jonatan. Der gute Armond entlehnte den Namen offenbar einer religiösen Nomenklatur ..."
Abrupt brach er ab und wirbelte herum, ohne dabei Rücksicht auf Eileen zu nehmen, die seinen Unterarm umklammert hielt. Eileen Dacran vermochte sich nur mit Mühe auf den Beinen zu halten.
Tschu kniete bereits neben dem reglosen Körper Dr. Armond Bysipheres. Anscheinend übergangslos wandelte sich sein Verhalten wieder zu dem des sachlich denkenden, zielbewußten Wissenschaftlers, der er war.
„Bewußtlos!" lautete die Diagnose, als er die kurze Untersuchung Bysipheres beendet hatte.
„Ansonsten ist sein Zustand normal. Injizieren Sie ihm bitte ein Roborans, am besten Alkalazin. Mehr möchte ich vorerst nicht einsetzen."
Er wandte sich dem ebenfalls reglosen Jean Beriots zu. Verblüfft sah er, daß Beriots Augen im Gegensatz zu denen Bysipheres völlig geöffnet waren, und daß die Pupillen seinen Bewegungen folgten. Tschu unterdrückte eine Verwünschung und knetete Beriots Muskeln.
„Entspannt", murmelte er. „Keine krampfige Verhärtung. Puls sehr schwach, Herzschlag flatternd."
Ein rätselhafter Ausdruck trat in seine Augen, als er einen flüchtigen Blick auf Jonatan warf. „Wenn Sie mit Armond fertig sind, geben Sie ihm hier...", er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Physiker, „... die höchste Dosis Alpha-Koidizin, die ein Mensch noch vertragen kann."
Er lächelte humorlos.
„Falls Sie bei Bewußtsein sind, so ,nicken Sie mit den Augen!" forderte er Jean Beriot auf.
Beriots Pupillen rutschten nach oben und sanken wieder herab.
Der Kosmopsychologe atmete erleichtert auf. Er tätschelte Beriots Wangen.
„Keine Sorge, mein Lieber. Soll ich die Bordklinik verständigen?"
Jean Beriots Pupillen wanderten zweimal von links nach rechts.
„Also nicht", murmelte Tschu. Er beobachtete, wie seine Assistentin das angeforderte Mittel aus der Rohrpostanlage nahm und in die Injektionspistole füllte. „Hoffentlich stellt man uns keine Fragen", flüsterte er. „Die Medobank wird sich wundern, wozu ich so kurz nacheinander zwei völlig verschiedene Mittel angefordert habe."
Eileen Dacran preßte die Düsenmündung der Injektionspistole fest gegen Beriots Nacken. Das Alpha-Koidizin zischte hörbar in den Blutkreislauf des Physikers.
„Ein intelligenter Mensch sollte um gute Ausreden niemals verlegen sein", erklärte sie lächelnd, nachdem sie sich wieder erhoben hatte.
Tschu Piao-Teh lächelte ironisch.
„Man merkt, daß Sie neuerdings hauptsächlich mit diesem Freibeuter Umgang haben."
Eileen lachte.
„Roi Danton ist im Grunde genommen ein prachtvoller Mensch nur etwas verklemmt." Nachdenklich fügte sie hinzu: Ich möchte zu gern seine Eltern kennenlernen ..."
Professor Tschu kniff die Augen zusammen.
„Das Verhalten des Sohnes gibt zumindest sehr wertvolle Hinweise auf die Psyche des Vaters. Ich hätte nie gedacht..." Er unterbrach sich abrupt, als wäre ihm bewußt geworden, daß er beinahe ein Geheimnis verraten hätte.
Dr. Eileen Dacran blickte ihren Chef prüfend an. Zwischen den beiden Menschen bestand eine starke Bindung. Sie war jedoch nicht erotischer Natur, sondern eine
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