0369 - Das Grauen aus dem Bleisarg
den gelblich weiß glänzenden Gebeinen. Ich bin kein Arzt und konnte nicht herausfinden, zu welchem Körperteil die Knochen gehörten. Tatsache blieb, dass sie die Knochen besaß.
Suko wurde von ihr gerammt. Er hatte es vorher geahnt, sich fest hingestellt und kippte auch nicht weg. Dafür wurde die Frau nach hinten gedrückt, schwankte noch und blieb schließlich stehen, da ich meine Hand in ihren Rücken gelegt hatte und sie abstützte.
Hatten wir gedacht, sie würde mit ihrer seltsamen Musik aufhören, so sahen wir uns getäuscht.
Die Frau klapperte weiter. Auch als sie vor uns stand, bewegte sie ihre Hände, die einige kleine Wunden zeigten, und sie schlug mit den Gebeinen den Takt.
Das verstand ich nicht.
Wir blickten in ihr Gesicht. Es war schmal geschnitten, die Haut sah etwas blass aus, und sie passte auch zu ihren Augen, deren Pupillen zwei Kreise bildeten, die auf mich einen unnatürlich starren Eindruck machten.
Mein Blick glitt zu ihrem Mund. Sie hatte schmale Lippen, die zwar aufeinander lagen, dennoch in die Breite gezogen waren, sodass ein Lächeln entstand.
Kein normales, sondern ein törichtes. Ja, das genau war es. Diese Frau lächelte töricht, verloren, unwirklich, fremd und irgendwie unecht.
»John!« Suko sprach sehr leise. Wahrscheinlich wollte er die Frau nicht erschrecken. »Ich glaube, wir haben es hier mit einer Person zu tun, die nicht normal ist.«
»Du meinst geistesgestört?«
Die Frage war mir so herausgerutscht, aber Suko hatte sie richtig verstanden, denn er nickte. »Das genau ist es gewesen, John. Geistesgestört. Mehr möchte ich nicht sagen.«
Wenn ich mir die Person so anschaute, hatte mein Freund genau ins Schwarze getroffen. Diese Frau, die uns da gegenüberstand, war nicht mehr normal.
Ihr Geist musste stark verwirrt sein, anders konnte ich mir das Klappern mit den Gebeinen nicht erklären.
»Wie heißen Sie?« fragte ich.
Sie lachte nur. Es war mehr ein Kichern, das über ihre schmalen Lippen drang und uns ebenfalls nicht sehr natürlich vorkam. Da steckte schon mehr dahinter.
»Haben Sie wirklich keinen Namen?«
Sie wollte weitergehen und setzte auch ihre beiden Knochenteile wieder in Bewegung, sodass sie abermals mit der klappernden Musik begann, die uns allmählich auf den Wecker fiel.
Suko griff zu. Er bekam sie in der rechten Armbeuge zu fassen und zog sie zurück. Die rechte Hand geriet dabei aus der Richtung, sodass das Gebein ins Leere schlug.
Mein Freund hielt die Frau fest. »Sag mal, John, wo bringen wir sie hin?«
Da hatte ich auch keine Lösung. »Irgendwo muss sie ja hergekommen sein«, murmelte ich und schaute die Straße entlang.
»Wie weit ist es denn zum nächsten Dorf?« fragte Suko.
»Für einen Fußmarsch zu weit.«
»Dann ist sie sicherlich aus Lauder gekommen, hat einen kleinen Spaziergang gemacht, mit den Knochen geklappert und will jetzt wieder zurück.«
Ich runzelte die Stirn. »Kann ich mir zwar auch schlecht vorstellen, aber wir können sie ja fragen.« Ich schaute der Frau in die glanzlosen Augen. »Wo sind Sie hergekommen?«
Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, eine Antwort zu bekommen. Sie gab sie mir dennoch. »Aus der Gruft…«
Ich stutzte.
»Gruft haben Sie gesagt?« fragte Suko.
»Ja, die Totengruft meiner Ahnin. Dort wartet man auf mich. Es ist schön da.«
»Redet die wirr?« fragte Suko.
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung. Wir werden sie jedenfalls mal mitnehmen.«
»Ja, dafür bin ich auch.«
Gemeinsam verfrachteten wir die Unbekannte in den Rover.
Sobald sie die Chance bekam, begann sie wieder mit ihren beiden Gebeinen zu klappern. Für immer wollte ich diese Laute auch nicht hören.
Suko tat das einzig Vernünftige. Er setzte sich zu ihr in den Fond und sorgte auch dafür, dass das Klappern verstummte.
Ich ließ den Motor an. Es war wirklich am besten, wenn wir die Frau nach Lauder auf das Polizeirevier schafften. Wenn sie tatsächlich aus der Stadt kam, war sie dort sicherlich bekannt. In dem Ort kannte jeder jeden.
Bereits nach einer Fahrt von wenigen Metern traf mich die erste Enttäuschung. Die Knochen hatte ihr Suko zwar weggenommen, deshalb wollte die Frau aber nicht auf Musik verzichten. Sie begann leise zu singen.
Es waren Kinderreime, die sie aus einer Gedächtnisschublade hervorgezogen hatte. Im Innenspiegel konnte ich sie erkennen, wenn sie den Kopf im Rhythmus ihres Gesanges bewegte.
Die Entfernung nach Lauder war nicht mehr als ein Katzensprung. Schon fuhren wir an den
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