037 - Die seltsame Gräfin
hübscher Name - Brown ist allerdings ebensogut.« Und er erzählte ihr noch mehr von seinen Plänen.
»Wie wär's, wollen wir nicht zusammen Mittag essen?«
Eine Stunde später betrat Lizzy den großen Speisesaal des Ritz-Carlton, und Lady Moron, die auch mit einem Herrn an einem der Tische saß, schaute sie durch ihre Lorgnette an und zuckte nur die Achseln.
»Selwyn macht seine Seitensprünge im Leben ziemlich spät«, sagte sie, und Chesney Praye, der an diesem Morgen von Paris zurückgekommen war, lächelte.
30
Obgleich Lois Reddle schon viele recht unangenehme Tage in ihrem Leben durchgemacht hatte, konnte sie sich doch auf keine Zeit besinnen, die so schrecklich gewesen wäre wie die letzten zwanzig Stunden nach ihrem Fortgang von Gallows Farm. Sie war von der Haushälterin mitten in der Nacht aufgeweckt worden. Die Frau hatte ihr gesagt, daß sie sich anziehen und herunterkommen solle. Die erste Aufforderung war leicht zu erfüllen, denn sie hatte sich angekleidet aufs Bett gelegt. Als sie in den Gang hinunterkam, fand sie den Doktor, der auf sie wartete. Er trug seinen dicksten Mantel, hatte einen starken Stock in der Hand und prüfte eine Taschenlampe, als sie zu ihm trat.
»Wo bringen Sie mich denn jetzt hin?« fragte sie, als er sie quer über den Hof führte, während die Hunde an ihren Ketten fürchterlich bellten.
»Das werden Sie noch rechtzeitig erfahren«, war die unbefriedigende Antwort. »Ich wünsche nicht, daß Sie sprechen oder Fragen stellen. Bis Sie dieses Haus verlassen haben, müssen Sie ruhig sein - verstehen Sie mich?«
Sie stiegen den sanften Abhang des Hügels hinan und gingen auf der anderen Seite wieder in ein Tal hinab. Obgleich der Mond nicht schien, war es doch genügend hell, daß sie den Weg über den Sturzacker finden konnte und seinen Arm ablehnte, den er ihr bot. Sie machten einen weiten Umweg, um einer sumpfigen Stelle aus dem Wege zu gehen. Einmal mußte er ihr doch helfen, als sie über eine Weißdornhecke kletterten. Dann lag eine dunkle Baumreihe vor ihnen, die noch zu der Farm gehörte. Er sagte ihr, daß das ganze Gut zwölfhundert Morgen groß sei. Nur ein kleiner Teil war in Pacht gegeben, und keines der Felder war bestellt.
»Es ist nur magerer Boden wie all dieses Land in den Niederungen - da drüben ist Gallows Wood.« Er zeigte auf ein Gehölz. »Die Farm hat ihren Namen von dem Wald - vor langen Jahren stand ein Galgen auf der Spitze des Hügels. Fürchten Sie sich nicht?«
Er lachte, als sie verneinte.
Nach einiger Zeit kamen sie auf einen schlechten Pfad, der sie mitten in das Gehölz führte. Jetzt benützte er zum erstenmal die Taschenlampe, denn der Weg war überwachsen, und es war sehr schwierig, ihm zu folgen. Obwohl ihre Stimme fest und ihre Haltung zuversichtlich schien, war ihr doch bang zumute. Es war eine schlechte Vorbedeutung, daß sie das Gehöft verlassen mußte. Vermutlich brachte sie der Doktor zu einer anderen Stelle, weil er die Rückkehr Michael Dorns erwartete. Sie fürchtete nur das eine, daß Michael während ihrer Abwesenheit das Haus durchsuchen und sich damit zufrieden geben könnte, daß sie nicht dort war. Nachdem sie zehn Minuten weitergegangen waren, hielt er an, und sie glaubte, er hätte den Weg verloren. Aber dann sah sie bei dem Licht seiner Lampe ein kleines Steinhäuschen, das seitwärts von dem Pfad stand und ganz von Bäumen und Sträuchern verborgen war. Das war also ihr neues Gefängnis!
»Halten Sie die Lampe!« befahl er ihr, und sie gehorchte, während er von seinem Bund einen Schlüssel nach dem anderen probierte, um aufzuschließen. Nach einiger Zeit sprang die Tür auf, und er ging hinein, schaute sich aber um, ob sie ihm folgte. Auf dem Fußboden lag dick der Staub, und ein alter Stuhl mit abgebrochener Lehne war das einzige Mobiliar des Raumes, in den er sie brachte. An einer Wand hing ein alter Abreißkalender. Anscheinend war das Haus seit dieser Zeit nicht mehr bewohnt worden.
»Sie bleiben hier und verhalten sich vollständig ruhig. In einigen Stunden wird es hell. Wenn Sie etwas brauchen, dann fragen Sie Mrs. Rooks - sie wird gleich hier sein.«
Er ging hinaus, schloß aber die Tür nicht zu. Später entdeckte Lois, daß das Schloß nicht in Ordnung war. Sie wartete eine halbe Stunde, dann hörte sie Schritte und Stimmen in dem Vorraum. Irgend etwas fiel polternd zu Boden. Einen Augenblick erschrak sie furchtbar, aber wahrscheinlich hatte Mrs. Rooks, die bleiche Wirtschafterin, nur eine schwere
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