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037 - Die seltsame Gräfin

037 - Die seltsame Gräfin

Titel: 037 - Die seltsame Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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höflichsten Art zu sprechen.
    »Mr. Shaddles, es tut mir furchtbar leid, daß ich Sie störe, aber infolge eines Todesfalles in der Familie möchte ich Sie bitten, mir den Tag freizugeben.«
    »Wer ist gestorben?« brummte er.
    »Eine Tante«, sagte sie kleinlaut und fügte noch hinzu: »Mütterlicherseits.«
    »Tanten sind keine nahen Verwandten«, entgegnete der alte Mann und winkte ihr zur Tür. »Onkel haben auch nicht viel zu sagen. Ich kann Sie heute nicht entbehren. Wozu müssen Sie denn auch immer zu Begräbnissen laufen?«
    »Nun ja - der wirkliche Grund ist dieser Brief«, sagte Lizzy, die ganz außer Fassung geraten war, und zeigte ihm Dorns Schreiben.
    »Ich erhielt ihn heute morgen.«
    Er nahm den Bogen mit offenbarem Widerwillen, las ihn aber trotzdem sorgfältig durch. Dann saß er lange und schwieg. Sie dachte, er überlege sich, welche Grobheiten er ihr wieder an den Kopf werfen könnte, denn das war eine seiner nichtswürdigen Angewohnheiten.
    »In dem Brief steht ja gar nichts von einer Tante«, fuhr er sie plötzlich an.
    »Aber Mr. Dorn ist mir mehr als eine Tante - ich habe ihm den kleinen Spitznamen ›Tante‹ gegeben -, und wenn er auch nicht tot ist, so könnte er bei diesem gefahrvollen Unternehmen doch leicht sterben.«
    Er schaute aus dem Fenster, strich ärgerlich über sein unrasiertes Kinn und sah sie dann wieder an.
    »Also Sie können den Tag freihaben«, sagte er dann.
    Lizzy wäre vor Schrecken beinahe umgefallen. Sie flüsterte ein paar zusammenhanglose Dankesworte, dann schwebte sie aus der Tür.
    »Warten Sie!«
    Er steckte die Hand in die Tasche, legte seine Brieftasche auf den Tisch und nahm drei Banknoten heraus.
    »Es ist möglich, daß Sie Geld brauchen, es ist zwar nicht gewiß, aber es könnte sein. Sie müssen mir aber eine genaue Abrechnung darüber geben, wenn Sie irgendwelche Ausgaben machen. Wenn Sie ein Auto benützen müssen, mieten Sie eins von der Blue Light Company, die Leute sind meine Klienten, und ich bekomme dort Rabatt.«
    Wie im Traum verließ Lizzy das Büro. Shaddles hatte ihr drei Zwanzigpfundnoten gegeben. Sie hatte keine Ahnung, daß soviel Geld auf der Welt existierte.
    Sie grüßte den Clerk nicht, der auf der Treppe an ihr vorüberkam, und hatte ihre Fassung noch nicht ganz wiedererlangt, als sie nach Hiles Mansions kam. Der Fahrstuhlführer sagte ihr, daß Mr. Dorn nicht im Hause sei. Auch Mr. Wills war seit gestern nicht wiedergekommen. Lizzy ging zur Brompton Road, rief großartig ein Auto an und fuhr nach Hause. Sie hatte gerade noch genug Kleingeld, um die Taxe bezahlen zu können.
    Die Ereignisse überstürzten sich, und sofort mußte sie Mr. Mackenzie alles mitteilen.
    »Shaddles ist ein großzügiger Mann«, sagte Mackenzie schlicht, »ein wirklich weitherziger Mensch!«
    Lizzy schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht, ob ich nicht mit der Polizei in Konflikt komme, weil ich das Geld von dem armen, alten Mann angenommen habe. In der letzten Zeit ist er mir schon so sonderbar vorgekommen. Ich habe schon die ganzen letzten Tage vorausgesehen, daß sich irgend etwas ereignen würde. Als er das Gehalt von Lois Reddle auf drei Pfund wöchentlich erhöhte, wußte ich, daß es nicht mehr richtig bei ihm ist.« Sie schaute mit ehrfürchtiger Scheu auf die drei Banknoten. »Wenn die Männer erst neunzig Jahre alt sind, dann werden sie kindisch«, sagte sie. Plötzlich kam ihr ein guter Gedanke - er war so tollkühn und so ungeheuer, daß sie selbst darüber erschrak.
    Sie borgte sich etwas Kleingeld von Mr. Mackenzie, eilte zu der nächsten Telefonzelle und rief Lady Morons Nummer an. Der Diener, der an den Apparat kam, sagte ihr, daß die Gräfin noch zu Bett liege.
    »Ach bitte, bemühen Sie sich nicht«, sagte Lizzy von oben herunter. »Würden Sie vielleicht Seine Lordschaft den jungen Grafen bitten, einmal herzuspringen?«
    »Wie bitte, gnädige Frau?«
    »Ich möchte ihn sprechen«, verbesserte sich Lizzy.
    »Welchen Namen darf ich nennen?«
    »Sagen Sie ihm nur, Lady Elizabeth sei am Telefon«, erklärte Lizzy und tat so müde und distinguiert, als ob sie selbst von allerhöchstem Adel sei.
    Sie mußte aber noch lange warten, bis Lord Moron, der zu dieser Stunde noch fest schlief, vom Diener aufgeweckt werden konnte und das nötige Interesse an der Dame zeigte, um sich zum Telefon zu begeben.
    »Hallo?« fragte er schwach. »Guten Morgen - tut mir sehr leid, daß ich Ihren Namen nicht verstanden habe.«
    »Hier ist Miss Smith«, sagte Lizzy

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