Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jose Michel
Vom Netzwerk:
würden bald mehr werden, denn die Behandlung und der Aufenthalt waren gratis.
    Eliane fuhr den Wagen wieder aus dem Saal, und Ariane wandte sich an mich.
    »Wie geht es Ihnen heute, Elise?«
    »Danke, ganz gut. Ich habe ausgezeichnet geschlafen.«
    Sie griff nach meinem Puls und sagte: »Keine Temperatur. In einer Halben Stunde kommt der Doktor, er operiert gerade in der großen Klinik.«
    Ich blickte zu Dominique hinüber.
    »Hat sie den Eingriff gut überstanden?«
    Ariane lächelte ausdruckslos.
    »Natürlich. Sie wird gleich aufwachen. Wenn es soweit ist* läuten Sie bitte gleich. Dominique wird vielleicht die Klingel nicht finden.«
    Sie wandte sich zum Nachbarbett, in dem Olga Valinof schlief. Olga war sehr nervös, und die vielen Beruhigungspillen, die sie erhielt, hielten sie dauernd in einer Art Dämmerzustand. Sie war erst sechzehn und Vollwaise. Sie war in einem öffentlichen Waisenhaus aufgewachsen. Woran sie litt, wußte ich nicht. Ich war erst einen Tag zuvor in die Klinik gekommen.
    Dominique Martin war fünfzig und ohne Verwandte. Sie hatte an einem Abszeß am Oberschenkel gelitten, das ihr wohl eben entfernt worden war. Außerdem hatte sie irgend etwas an den Augen.
    Genau wußte ich eigentlich gar nichts. Ich begriff nur, daß die vielen Schlafmittel, die ich bekommen hatte, meine Schmerzen gelindert hatten. Aber abgesehen davon ging von dieser Klinik eine geheimnisvolle Atmosphäre aus.
    Sogar Ariane, die ich seit mehr als einem Monat kannte, war plötzlich eine Fremde. Aber vielleicht war das nur eine Folge ihrer Position hier in der Klinik.
    Die Order Dr. Flamants’ lautete, mich gleich nach meiner Ankunft niederzulegen, obwohl ich doch keinesfalls Bettruhe benötigte. Aber ich hatte vor, noch an diesem Nachmittag aufzustehen – ob mit oder ohne Erlaubnis.
    Nach einem letzten Blick auf die
    Frischoperierte verließ Ariane den Saal.
    So war ich also wieder allein, denn meine beiden Saalgefährtinnen schliefen beide.
    Auch ich war sehr benommen von den Schlafmitteln und zögerte, mich zu erheben. Meine Beine kribbelten. Trotzdem setzte ich mich nach einer Weile auf, schlüpfte in meinen Morgenrock und in die Pantoffeln und ging zu einem der Fenster.
    Unter uns lag ein hübscher, parkartiger Garten, abgeschlossen von einer Mauer. Dahinter lag inmitten von Blumen und exotischen Bäumen die alte Klinik, wo nur sehr wohlhabende Patienten sich eine Behandlung leisten konnten. An diesem sonnigen Tag lagen die meisten von ihnen auf bequemen Liegestühlen oder Betten im Schatten der großen Bäume und plauderten mit ihren Besuchern, die sie den ganzen Tag über empfangen durften.
    Den Reichtum roch man bis zu uns herüber.
    Fast bereute ich es schon, dem Drängen meiner Untermieterin und Arianes nachgegeben und die Klinik aufgesucht zu haben. Sehnsüchtig verglich ich die Einsamkeit hier mit meinem Zuhause, wo es zwar nicht geselliger zuging, wo ich aber gehen und kommen konnte, wann es mir gefiel. Und Maria Ferat war fast immer zu einer kleinen Plauderei bereit.
    Ich hatte ihr die drei schönen Zimmer an der einen Seite des Korridors des Hauses vermietet, das ich von meinen Eltern geerbt hatte. Die restlichen beiden Zimmer bewohnte ich. Die Miete, die sie mir bezahlte, half mir ungemein, denn ich bestritt meinen Lebensunterhalt als Näherin, und die Heimarbeiten, die ich bekam, genügten kaum zum Leben.
    Ich bewunderte Maria sehr: ihre Eleganz, ihre stets tadellosen Frisuren, ihren guten Geschmack und die teuren Kleider. Der Umgang mit Maria war meine einzige Abwechslung.
    Sie hatte mir zum ersten Mal von Dr. Flamants’ neuer Klinik berichtet.
    »Ihre ewigen Magenschmerzen sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen, Lise«, hatte sie gesagt. »Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, Sie sollten Dr. Flamants konsultieren! Sie sind wirklich eigensinnig. Er ist äußerst tüchtig, und ich bin sicher, daß Sie im Handumdrehen wieder gesund werden.«
    Ich antwortete: »Sie vergessen, Maria, daß meine Mittel äußerst bescheiden sind.«
    »Möchten Sie, daß ich mit ihm spreche?« hatte sie schnell eingeworfen. »Außerdem sollen in der neuen Klinik Patienten eine Gratisbehandlung erhalten. Glauben Sie mir, er ist ein sehr großherziger Mensch.«
    Ich hatte nichts gesagt.
    »Sie sollten nicht alles glauben, was man sich über ihn erzählt«, war sie fortgefahren. »Das ist nur der Neid, der so spricht. Seine blitzartige Karriere hat eben die Gemüter ein bißchen erhitzt. Aber als Chirurg und Mediziner

Weitere Kostenlose Bücher