037 - Klinik der Verlorenen
ließ mich in die Höhe fahren. Dann fiel ich zurück. Vor meinen Augen bildeten sich Kreise, die sich zu drehen begannen, wirbelnde Trichter, die mich anzogen und in die ich hineinfiel, zuerst ganz langsam, dann immer schneller …
Ein intensiver Veilchenduft weckte mich auf. Stimmen waren rund um mich her.
»Es ist aus, Herr Doktor. Sie ist tot …«
»Nein! Nein! Das ist nicht möglich!« Erics Stimme war ein heiseres Krächzen. »Lise - Lise …«
Dann kamen Schritte und gingen wieder. Eine Wolke legte sich über mein Bewußtsein, und der Veilchenduft verschwand. Die Stille war wieder da.
Plötzlich wurde mein Bewußtsein schlagartig wieder klar. Der Alptraum entfernte sich.
Eric und Setoni beugten sich über mich. Setoni hielt noch die Nadel in der Hand, mit der er mir eine Spritze gegeben hatte. Er untersuchte mich eingehend. Als er fertig war, wandte er sich an Eric.
»Seit drei Tagen gibt es eine merkliche Wendung zum Guten, Eric. Mit dieser Dosis hier müßte es genügen. Ich kann Ihnen versichern, daß sie über dem Berg ist.«
Eric nickte wortlos. Setoni entfernte sich. Ich hörte seine Schritte immer leiser werden. Eric blieb an meiner Seite und nahm meine Hand. Endlich konnte ich ihn wieder betrachten. Sein Gesicht war blaß und übermüdet, tiefe Falten zogen sich an seinen Mundwinkeln herab. Er mußte Tag und Nacht an meinem Bett gewacht haben.
Ich sah, daß ich wieder in einem normalen Bett lag.
Eric lächelte.
»Du kannst aufstehen, wenn du möchtest, Lise. Bald wirst du wieder ganz gesund sein. Jetzt hat Dr. Setoni dir die letzte Spritze gegeben, und sobald sie wirkt, wirst du selbst sehen, daß du beinahe völlig wiederhergestellt bist. Du brauchst nur ein wenig Ruhe, um dich zu erholen. Das war eine übermenschliche Anstrengung für deinen Körper.«
Meine Stimme war immer noch etwas hoch, aber ich war glücklich, wieder sprechen zu können.
Eliane kam zu uns.
»Sie haben uns vielleicht einen Schreck eingejagt, Lise«, rief sie. »Herr Doktor, wenn Sie eine Weile schlafen wollen, so gehen Sie nur. Ich bleibe hier bei Lise.«
»Ich glaube, ich nehme Ihr Angebot an, Schwester«, sagte Eric müde und lächelte. »Ich kann mich kaum mehr aufrecht halten.« Er sah mich an. »Auf bald, Lise.«
Als er hinausgegangen war, fragte ich Eliane: »Stimmt es, daß ich seit drei Tagen schlafe?«
»Ja. Und Dr. Flamants hat Sie nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Er hat nichts gegessen, nur starken Kaffee getrunken. Dr. Setoni hat Tag und Nacht gearbeitet, bis er entdeckte, woran es lag, daß das Serum bei Ihnen nicht wirkte. Er mußte ein zweites Präparat hinzufügen. Und wie geht es Ihnen jetzt, Lise?«
»Viel besser, Schwester … Und die anderen? Wo sind sie?«
»Alle schon entlassen. Und Sie werden uns auch nicht mehr lange erhalten bleiben, meine Liebe. Ariane ist oft gekommen und hat sich nach Ihrem Befinden erkundigt. Sie arbeitet jetzt drüben in der großen Klinik, aber sie hat Sie nicht vergessen.«
So hat Eric sie also von mir entfernt. Was empfand sie wohl bei dem Gedanken, daß ich bald wieder gesund sein würde? Ihr Traum würde sich in Luft auflösen … Sie würde Eric nie erringen.
Eliane machte mein Bett und half mir dann, einige Schritte zu versuchen. Sie führte mich zur Glastür, und ich sah mein Spiegelbild. Ich war wieder groß.
Ich lachte vor Glück und Erleichterung. Eric würde die Frau wieder finden, die er früher gekannt hatte.
»Was Ihnen so sehr geschadet hat, das war die Verbissenheit Sarlieffs. Der alte Narr hat Ihnen eine übertriebene Dosis seines Mittels injiziert, weil Sie ihm zu resistent schienen. Etwas anderes ...« Sie senkte die Stimme. »Madame Flamants geht es nicht besonders gut. Die Ärzte sagen, sie wird den Sommer nicht überleben. Das ist traurig, wenn man so jung ist wie sie. Sehen Sie, Lise, ihr kann keine Spritze und kein Serum mehr helfen.«
Zehn Tage gingen langsam dahin, und ich begann, mein schreckliches Erlebnis nach und nach zu vergessen. Eric wollte, daß ich sobald wie möglich zu ihm in die große weiße Villa zog. Ich hatte Ariane nicht wieder gesehen, und Eliane hatte nicht mehr von ihr gesprochen. Bis auf einige Zentimeter hatte ich meine frühere Größe wiedererlangt.
Ariane arbeitete unter der Leitung einer Chefsekretärin in der großen Klinik. Die Arbeit mißfiel ihr, sie dachte daran, bald wegzugehen.
Eric und Setoni unterhielten sich über eine heikle Operation, die sie am folgenden Tag auszuführen
Weitere Kostenlose Bücher