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037 - Klinik der Verlorenen

037 - Klinik der Verlorenen

Titel: 037 - Klinik der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jose Michel
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gibt es keinen besseren.«
    Zweifellos hatte Maria recht. Ich wußte selbst, daß mein alter Hausarzt, der kurz vor seiner Pensionierung stand, nicht über alle neuen und erfolgreichen Behandlungsmethoden informiert war. Außerdem kannte er vermutlich auch nicht die neuesten Präparate der pharmazeutischen Industrie. Aber er sah oft nach mir, ohne etwas zu verrechnen, und war zufrieden mit einer Tasse Tee und einem Händedruck.
    Und dann – mit fünfundzwanzig Jahren wird es nichts Schlimmes sein. Es wird Vorbeigehen …
    So beugte ich mich wieder über meine Nähmaschine und arbeitete weiter, bis weit in den Abend hinein, für ein Trinkgeld. Meine Auftraggeberin meldete mich nicht einmal bei der Krankenversicherung an, was mein Budget erheblich belastete, denn ich mußte die Medikamente selbst bezahlen.
    In dieser kleinen Stadt gab es keine anderen Berufsmöglichkeiten für mich, aber ich war hier geboren und aufgewachsen, und um nichts in der Welt wäre ich von hier weggegangen.
    Nach dem Tod meiner Eltern hatte ich weder Zeit noch Gelegenheit auszugehen und war fast schon zu einem ‚alten Mädchen’ geworden. Ich hatte keine anderen Freunde als meine Untermieterin und meinen Hausarzt. Aber die viele Arbeit ließ mir die Zeit im Flug vergehen.
    Hier, in diesem Krankensaal, der nach Desinfektionsmitteln roch, hätte ich mich ausruhen können, aber irgend etwas beunruhigte mich. Vielleicht war es nur die ungewohnte Umgebung.
    Ich kannte Dr. Flamants bereits, bevor ich hierher kam. Er war mehr als einsachtzig groß, ein sehr sportlicher Typ. Er gefiel den Frauen, das wußte ich, und als ich ihn gesehen hatte, wunderte es mich nicht. Auch Maria hatte von seinem guten Aussehen geschwärmt, als sie mir wieder und wieder empfahl, mich von ihm behandeln zu lassen.
    »Sie werden sehen«, sagte sie. »Er ist reizend. Der geborene Charmeur, Lise. Ich möchte Ihnen keine Angst einjagen, mein Kind, aber Sie sind sehr blaß. Und sehr mager geworden in den letzten Monaten.«
    Ihr Interesse rührte mich zutiefst, und ihre eindringliche Stimme klang mir immer wieder in den Ohren. Ich sah sie an. Ihr gepflegtes, dezent geschminktes Gesicht faszinierte mich. Sie lächelte aufmunternd.
    »Wenn Sie meinen, Maria«, sagte ich deprimiert. Sie sagte, sie wäre fünfzig. Wenn ich mein eigenes Gesicht im Spiegel sah, schien es mir müder und älter als ihres. »Wenn Sie meinen …«
    »Höchste Zeit!« rief sie. »Endlich sind Sie vernünftig. Sie werden es gewiß nicht bereuen, Lise. Ich bin sicher, daß Ihnen der Doktor einen guten Preis machen wird. Ich sehe ihn heute Abend bei einer Gesellschaft, ich werde mit, ihm sprechen. Morgen früh haben Sie die Antwort.«
    Sie hatte darauf bestanden, einen Tropfen Wein mit mir zu trinken, und wir sprachen über die neue Klinik.
    »Das alte Gebäude bleibt, wie es war«, erklärte sie. »Im neuen werden nur Bedürftige behandelt, und zwar nur Frauen, interessante Fälle. Sie wissen, ich bin sehr eng mit seiner Mitarbeiterin, Ariane Marnel, befreundet. Sie ist übrigens genauso charmant wie der Doktor. Sie werden bald ihre Bekanntschaft machen, denn sie kümmert sich um alles.«
    Das bißchen Alkohol machte mir warm. Maria redete und redete, wie um mich zu überzeugen, daß mein Leben ohne Dr. Flamants nichts mehr wert sei …
    »… und hier eingesperrt werden Sie keinen Mann finden, meine Liebe. Man sieht Sie nie auf den Bällen, bei keiner Gesellschaft, nirgends. Und ich sage Ihnen, die heiratsfähigen jungen Männer gibt es in Hülle und Fülle. Ein schönes Mädchen wie Sie! Es ist doch ein Unglück für Sie, sich so abzuschließen.«
    Ich senkte die Augen.
    »Maria«, sagte ich leise, »ich habe nicht die geringste Lust zu heiraten. Aber warum haben Sie sich nicht wiederverheiratet?«
    Einen Augenblick lang war sie verwirrt.
    »Ich bin nicht mehr ganz jung, meine Liebe«, sagte sie schließlich.
    »Aber wenn ich mich recht erinnere, dann waren Sie noch sehr jung, als Ihr Mann starb?«
    Sie sah mich lächelnd an.
    »Ja, das stimmt … Aber eine große Liebe kann man nicht so leicht ersetzen. Man vergißt sie nie.«
    Sie senkte die Lider, aber ich wußte, daß sie mich durch die Wimpern hindurch beobachtete. Plötzlich hatte sie etwas Rätselhaftes an sich. Ein Geheimnis. Ihre Vergangenheit war mir unbekannt. Ich wußte nur das, was sie mir erzählt hatte.
    Damals erwachte in mir ein unangenehmes Gefühl.
     

     
    Die Schmerzen in meinem Magen waren fast unerträglich geworden, und ich war

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