037 - Quellen der Lust + Die Mätresse des Prinzen
Mariah nie gedacht hätte, dass sie sie eines Tages leibhaftig sehen würde: die Börse, der Tower, die Waterloo Bridge, Westminster und das Parlamentsgebäude. Wohin sie auch kamen, Mariah zog überall die Aufmerksamkeit auf sich. Männer unterbrachen ihre Arbeit in Büros oder zogen ihre Hüte, wenn sie vorüberging. Je mehr Interesse ihr bekundet wurde, umso distanzierter wurde Jack. Und je mehr er sich zurückzog, umso demonstrativer verfolgte sie ihre Heiratsmission.
„Die Herren am Tisch hinter Ihnen starren mich schon die ganze Zeit an“, sagte sie, als sie zu Mittag aßen. „Äußerst elegant geschnittene Anzüge. Seidene Krawatten und goldene Taschenuhren.“ Sie senkte die Stimme. „Ich würde alles darauf verwetten, dass sie an den besten Privatschulen ausgebildet wurden.“
„Soll ich rübergehen, um mich nach ihrem jährlichen Einkommen zu erkundigen und ihre Jacketts auf Suppenflecken zu untersuchen?“, fragte Jack, sichtlich verärgert.
„Ja, bitte.“ Sie warf den Männern ein schüchternes, sittsames Lächeln zu. „Und erkundige dich doch auch gleich nach den Namen einiger Damen, die mir als Referenz dienen könnten.“
Er ließ seine Gabel auf den Teller fallen. „Könnten wir ein einziges Mal zivilisiert zusammensitzen und ungestört essen, ohne dass du auf der Jagd nach einem Gespielen bist?“, sagte er scharf.
„Mich wundert es, dass Sie das stört“, erwiderte sie mit unerschütterlichem Gleichmut. „Vor allem, da doch auch Ihr zukünftiges Schicksal davon abhängt, für mich einen ‚Gespielen‘ zu finden.“
Jack verschlug es die Sprache. Das hatte ihn offensichtlich getroffen.
„Das ist keine Pflicht, die ich gerne erfülle“, brach es aus ihm heraus. „Und du machst mir diese Aufgabe noch schwerer durch deinen ungebührlichen Enthusiasmus.“
Mariah sah ihn forschend an. Sie wusste genau, was ihn so über alle Maßen irritierte und war fest entschlossen, ihm seine Aufgabe nicht im Geringsten zu erleichtern.
„Erst bin ich zu widerstrebend und zu wählerisch, dann zu eifrig und zeige ‚ungebührlichen Enthusiasmus‘. Entscheide dich, Jack. Soll ich nun einen Mann finden oder nicht?“ Sie beobachtete, wie er innerlich mit sich selbst kämpfte.
„Ich glaube, ich habe meine Meinung dazu klar und deutlich geäußert.“
„Stimmt. Aber das war vor zwei Tagen.“ Mariah scheute sich davor, offen auszusprechen, dass er seitdem seine Zurückhaltung aufgegeben und eine leidenschaftliche Nacht mit ihr verbracht hatte. Dass er ihr so nahe gekommen war wie kein Mann vor ihm und niemand es in Zukunft könnte. Eindringlich sah sie ihn an und wünschte sich, sie könne seine Gedanken lesen. Sie seufzte. Sie würde wohl auf konventionellere Methoden zurückgreifen müssen.
„Mir bleiben nur noch neun Tage, um einen Mann zu finden.“
„Das ist mir durchaus bewusst“, erwiderte er gereizt.
„Wie bitteschön soll ich dann eine gute Partie finden und eine ‚akzeptable Ehe‘
eingehen, wenn ich andere Männer nicht ansehen darf und niemandes Aufmerksamkeit erregen soll?“ Genugtuend genoss sie sein darauf folgendes Schweigen. Sie ließ ihn noch etwas länger nachgrübeln, bevor sie ihm den Gnadenstoß verabreichte. „Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit.“
„Und die wäre?“ Er saß nun regungslos vor ihr, wartete gebannt auf ihre Antwort, aber erlaubte sich nicht, sie anzusehen.
„Du könntest mich heiraten.“ Denn wer A sagt, muss auch B sagen. Sie setzte ein züchtiges Lächeln auf. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auf mindestens einem Gebiet sehr gut zusammenpassen.“
Fassungslos sah er sie an. Er sah aus wie ein Mann, dem gerade endgültig der Wind aus den Segeln genommen wurde.
„Immer schön weiteratmen, Jack. Ein ... aus ... ein ... aus ...“ Sie tätschelte seinen Arm und lachte.
„Da sieht die Sache gleich ganz anders aus, nicht?“ Sie hob ihr Kinn und hoffte, ihr Vorschlag würde ihn zum Nachdenken bringen. „Aber zurück zu den interessanten Herren am Neben... oh, nein!“ Sie sah den drei gut gekleideten Männern bis zur Tür nach und ließ enttäuscht die Schultern sinken. „Nun sind sie weg.“
Jack sagte kein Wort mehr, bis sie in der Kutsche saßen und zurück nach Mayfair fuhren, wo sie einen Termin bei einem Schneider hatte. Und auch dann teilte er ihr nur knapp mit, dass sie abends ohne ihn im Hotel essen müsse, da er noch einige Angelegenheiten zu erledigen habe.
Während ihres Nachmittagstermins und des
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