0372 - Monster in Marrakesch
lange nicht mehr. Es ist als erhaltungswürdig eingestuft worden - Denkmalschutz nennt man das bei Ihnen wohl. Aber die Stadt besitzt nicht genug Geld, es restaurieren zu lassen. Wenigstens derzeit nicht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Manches fällt einem eben erst etwas später wieder ein«, sagte Husein.
»Hauptsache, das Haus in seiner Baufälligkeit fällt nicht ein«, unkte Nicole. Sie durcheilten die Korridore des Erdgeschosses, warfen Blicke in leerstehende Zimmer, fanden aber nichts Verdächtiges.
»Keller oder erster Stock?« wollte Nicole die Entscheidung Husein überlassen, »Keller gibt’s hier nicht… sollten wir uns nicht mal den Raum ansehen, in dem Sie gestern erwachten?«
Er glaubte ihr ihre Aussage inzwischen, nur begriff er alles andere drumherum nicht. Eine so perfekte Doppelgängerin, wie sie ihm von Nicole geschildert worden war, konnte es doch gar nicht geben.
»Dann müssen wir ganz nach oben…«
Es war logisch. Es konnte kein besseres Versteck in einem baufälligen Haus geben als die oberen Etagen. Niemand rechnete damit, daß jemand dieses Risiko auf sich nehmen würde.
Dann waren sie im oberen Geschoß. Von den Innenfenstern her konnten sie rund neun Meter unter sich den Kies des Innenhofes sehen, um den das Haus hufeisenförmig errichtet worden war. Den Abschluß bildete eine Außenmauer mit der Tordurchfahrt nach draußen.
Immer noch war im Haus alles still. Außer den Geräuschen, die Nicole und Husein verursachten, war nichts zu hören.
Von einem Fenster aus sahen sie, wie uniformierte Beamte den Innenhof betraten und sich ratlos umsahen. Sie entdeckten die Spuren im Kies, wo sich der Ford befunden hatte, und diskutierten. Daß sie richtig waren, mußte ihnen ja der draußen stehende Wagen Huseins beweisen.
»Hoffentlich kommen sie nicht ins Haus…«
Nicole hörte es kaum. Sie hatte gerade das Zimmer entdeckt, in dem sie gefangengehalten worden war. Die losgerissene Tür lag noch immer auf dem Gang, und dahinter die Trümmer der zerstörten Pritsche. Niemand hatte es für nötig gehalten, hier aufzuräumen.
»Gut… das war also Ihr Gefängnis«, stellte Husein fest, der hinter ihr auftauchte. »Hübsch häßlich…«
Es war ein Fall für die Spurensicherung. Husein selbst warf nur einen schnellen Blick in die Runde. Dann stand er wieder draußen auf dem Gang. »Haben Sie hier in der Nacht überhaupt etwas sehen können?«
»Nein…«
Am Ende des Ganges befanden sich die beiden Türen, für die sich Nicole in der Nacht nicht interessiert hatte. Jetzt erschienen sie ihr schon interessanter. Sie öffnete die rechte. Das Zimmer war so dunkel wie in der Nacht. Der Lichtstrahl aus Huseins Lampe fiel direkt auf die geschlossenen Läden eines Fensters.
Er marschierte hin und versuchte sie zu öffnen. Das klappte beim ersten Versuch. Die beiden Klappläden gehörten zu den baufälligeren Teilen des Hauses und verabschiedeten sich unter dem leichten Druck seiner Hand in Richtung abwärts.
Unten sahen Polizisten erstaunt auf, als die Klappläden im Innenhof zerschellten. Sie erblickten Husein am Fenster.
»Bleiben Sie unten«, rief er ihnen zu. »Ich komme gleich zu Ihnen runter…«
Er wandte sich um. Inzwischen fiel durch das Fenster genug Licht in das Zimmer, um Einzelheiten erkennen zu lassen.
Da stand Nicole und sah zu einer Pritsche hinüber die an der Wand stand.
Auf der Pritsche saß Kommissar Kelim al Shadra.
***
»Das ist doch nicht möglich«, murmelte Husein überrascht. »Wie kommen Sie hierher, Kommissar-? Wieso sind Sie in diesem Raum?«
»Er kann Ihnen nicht antworten, Husein«, sagte Nicole. »Er ist tot.«
»Aber Tote sitzen doch nicht aufrecht…«
»Habe ich nicht heute schon einmal Ihnen oder Abdallah gesagt, daß Tote eine ganze Menge können, wenn Magie im Spiel ist?« Sie überwand sich und ging auf al Shadra zu, der sich nicht rühren konnte. Das Amulett warnte nicht. Aber es konnte ihr auch nicht verraten, was man mit al Shadra gemacht hatte. Nur das Einschußloch war zu sehen.
»Ich gehe jede Wette ein, daß auf der Pistole, mit der man ihn ermordet hat, entweder Zamorras oder meine Fingerabdrücke sind… Hier, Inspektor… Rauchspuren an der Kleidung. Er muß aus nächster Nähe erschossen worden sein.«
»Eigentlich müßte ich als Kriminalist das Ihnen sagen«, murmelte Husein erschüttert. »Sie scheinen da ja eine Menge Erfahrung zu haben. Haben Sie mal im kriminologischen Bereich gearbeitet?«
Sie schüttelte den Kopf. »Für
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