0376 - Wer den »Schatten« sieht, muß sterben
drittenmal rasselte, drehte sie sich um und durchquerte die Halle.
Sie dachte an die beiden G-men, die vor einer halben Stunde aus dem Haus gegangen und weggefahren waren.
»Hallo«, rief sie in den Apparat.
Es pfiff, fauchte und klapperte in der Leitung. »Mrs. Hogan«, sagte der unbekannte Anrufer, »Sie haben richtig gehandelt.«
»Ja«, antwortete Pat Hogan. Die arrogante, überhebliche Ruhe, die sie sonst auszeichnete, wich immer mehr von ihr.
»Das war klug von ihnen«, sagte die heisere Stimme. »Halten Sie sich weiter so. Tun Sie nur das, was ich Ihnen sage, sonst geht es Ihnen genauso wie Ihrem Mann. Sie sehen, daß ich alles weiß, Mrs. Hogan. Denken Sie immer daran.«
Pat Hogan wollte noch etwas sagen, aber der Anrufer hatte bereits aufgelegt.
***
»Die drei Verbrechen an den Boxern ähneln sich sehr«, sagte Mr. High. Phil und ich waren zum Chef bestellt worden und saßen jetzt vor seinem Schreibtisch.
»Richtig.« Mr. High blickte auf den vor ihm liegenden Bericht. »Die Untersuchungen der Mordkommission haben jetzt auch einwandfrei im Madison-Square-Fall ergeben, daß Tom Hogan genau wie seine Vorgänger durch eine Gewehrkugel getötet wurde.«
»Und gibt es keinen Hinweis auf den oder die Täter?«
»Nein«, antwortete Mr. High. »Ich glaube nicht, daß Samy Day etwas damit zu tun hat, auch wenn er von Hogans Frau belastet worden ist.«
»Und worauf stützen Sie Ihre Meinung, Chef?« fragte ich.
»Ich habe wegen Samy Day Nachforschungen anstellen lassen.«
Phil und ich sahen ihn gespannt, an. »An den Tagen, an denen die Morde in Los Angeles und San Franzisko passierten, war Samy Day hier in New York. Das steht einwandfrei fest.«
»Ist das ein exakter Beweis für Days Unschuld im Fall Tom Hogan?« meldete sich Phil.
Mr. High nickte. »Ich weiß, was Sie andeuten wollen, Phil. Es ist möglich, daß Day von diesen beiden vorangegangenen Morden gewußt hat. Er hat sich einen Mörder engagiert, der Tom Hogan im Ring erschoß. Das meinen Sie doch, nicht wahr?«
»Genau«, sagte Phil.
»Auch das scheidet aus, Phil«, fuhr Mr. High fort. »Es gibt noch mehrere Parallelen bei den drei Morden: Es wurden Spuren gefunden.«
»Spuren?« fragten Phil und ich wie aus einem Munde.
»Ja. Auf Grund dieser Spuren wissen wir, daß in allen Fällen derselbe Schütze auftrat. In der ehemaligen Funkkabine des Madison Square wurden die Sohlenabdrücke der Marke ›Triton‹ sichergestellt.«
»Davon hat Bill erzählt«, sagte Phil. »Und die gleichen Fußabdrücke haben die Spurensucher ebenfalls in Los Angeles und in San Franzisko entdeckt. Das geht aus den Berichten einwandfrei hervor. Ich halte es deshalb für ausgeschlossen, daß Samy Day in allen drei Fällen seine Hände im Spiel hatte.«
»Jetzt sollen wir also den Mann mit den ›Triton‹-Schuhen suchen«, sagte ich.
»Darauf wollte ich hinaus, Jerry. Sehen Sie sich die Abdrücke genau an. Die Laufflächen der Schuhe sind in einer ganz charakteristischen Weise abgelaufen. Es kann doch sein, daß Sie diesem Muster einmal begegnen.«
Phil und ich nickten.
Mr. High legte eine kurze Pause ein und blätterte in den Akten herum. Dann sprach er weiter: »Jetzt komme ich noch zu einem Punkt, der sehr wichtig für die Arbeit ist.«
Phil und ich sahen uns schweigend an. »Es gibt doch eine Parallele zwischen den drei toten Boxern. Kid Thomas, Jo Hamas und Tom Hogan sind ungefähr gleichaltrig. Sie haben sich schon als junge Leute gekannt und gemeinsam eine Boxschule besucht. Und nach Absolvierung dieser Schule zogen sie dann hinaus, um als Professionals ihr Geld zu machen.«
Phil stieß einen Pfiff aus. »Das ist ein wertvoller Tip«, meinte er.
»Die Boxschule befindet sich hier in New York«, erklärte Mr. High. »Sie wird von einem Mann namens Will Dancer geleitet.« Mr. High nannte uns die Anschrift. »Vielleicht seht ihr euch da mal um«, schloß unser Chef.
***
Will Dancer sah wie ein Wal auf zwei Beinen aus. Der kleinste Körperteil war der Kopf mit den listigen Schlitzaugen.
Er thronte wie eine Steckzwiebel auf den übrigen zweieinhalb Zentnern Fleisch und Knochen. Über das Kinn zog sich eine Narbe, eine ständige Erinnerung an seine Laufbahn als ehemaliger Schwergewichtsboxer.
Dancer hatte manchen Lorbeerkranz aus den Boxringen geholt, ehe er seine Boxschule gründete und sich um die Ausbildung junger Talente kümmerte.
Hinter uns klatschten dumpfe Schläge. Dort trainierten zwei junge Boxer im Sparring. Ein dritter arbeitete an
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