038 - Der Geistervogel
Thorensen?“
„Ja, den meine ich. Ich hörte ihn schreien. Er rief nach mir.
Ich antwortete. Er brüllte, ob Silke hier sei. Ich schrie zurück, daß sie nicht da sei, dabei ging ich weiter. Und da sah ich Silke. Sie lag mit dem Kopf nach unten auf den Stufen. Überall war Blut, ich bückte mich und sah, daß sie tot war. Da schrie ich nach Gerd. Er kam die Stufen hoch.
Als er seine Tochter sah, erstarrte er zur Salzsäule. Ich redete auf ihn ein, doch er hörte mich nicht. Er stierte nur seine Tochter an. Dann hob er sie hoch und stieg die Stufen hinunter. Ich folgte ihm und redete ununterbrochen auf ihn ein, doch er reagierte nicht. Er verließ den Leuchtturm.
Meine Frau war aus ihrem Zimmer gekommen und folgte ihm auch. Er ging durch die Dünen, dann erblickte er Jan Hansen und Haike Petersen, legte seine Tochter ab und lief zu Jan, den er beschuldigte ein Hexer und Mörder zu sein.
Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen Gerd und Jan, wobei Gerd ohnmächtig geschlagen wurde. Das war’s.“
„Sie wußten also nicht, daß sich Silke im Leuchtturm aufgehalten hatte?“
„Nein, das wußte ich nicht. Am Vormittag kam Haike bei uns vorbei und sagte, daß sich Silke nicht wohl fühle und heute nicht kommen würde. Meine Frau machte das Mittagessen, nachher legte ich mich auf zwei Stunden nieder, und gegen drei Uhr stieg ich hinauf. Ich mußte einige Dinge erledigen, die Geräte müssen gelegentlich gewartet werden. Das dauerte bis gegen fünf Uhr. Ich hatte keine Ahnung, daß sich Haike im Turm aufhielt.“
„Und ihre Frau?“
„Da müssen Sie sie schon selbst fragen.“
„Frau Brockenhausen, wußten Sie, daß sich Silke hier befand?“
Die kleine Frau schüttelte den Kopf. „Nein, das wußte ich nicht. Ich fühlte mich nicht wohl und legte mich nach dem Essen gemeinsam mit meinem Mann nieder. Er stand dann auf, und ich blieb liegen. Ich schlief weiter, bis gegen halb fünf Uhr, dann stand ich auf. Ich hörte nicht, daß Silke in den Turm gekommen war.“
„Mit einem Wort, Sie und Ihr Mann haben nichts gehört und nichts gesehen, so ist es doch?“
Beide nickten.
„Sie glauben doch nicht, daß wir etwas mit dem Tod Silkes zu tun haben, Herr Kommissar?“ fragte Brockenhausen, diesmal nicht mehr so selbstsicher.
„Bei meinem Beruf nützt einem „glauben“ nichts, Herr Brockenhausen. Ich brauche Beweise und keine Vermutungen.“
„Sie schließen es aber nicht aus. daß wir etwas mit dem Tod Silkes zu tun haben?“
„Ich schließe prinzipiell nichts aus.“ Friedsen stand auf.
„Zeigen Sie uns die Stelle, wo Sie Silke gefunden haben.“ Brockenhausen ging voraus. Friedsen und Weber und zwei Männer des Spurensicherungsteams folgten ihm.
„Das Mädchen hielt ein Vogelskelett in der rechten Hand, Herr Brockenhausen. Können Sie sich erklären, wie es zu dem gekommen ist?“
„Das kann ich mir schon erklären“, sagte Brockenhausen schnaufend. „Es passiert öfters, daß sich Vögel in den Turm verirren und nicht mehr herausfinden. Einige geraten dann so in Panik, daß sie gegen eine Wand fliegen und dabei sterben. Ich finde öfters an den unmöglichsten Stellen tote Vögel und auch Vogelskelette. Möglicherweise fand Silke so ein Skelett, erschrak, rannte die Stufen hinunter und rutschte aus und …“
Der Kommissar nickte. Das wäre eine Möglichkeit gewesen.
Nach einigen Minuten erreichten sie die Stelle, an der Silke gefunden worden war. Die Spurensicherungsleute hatten starke Lampen mitgebracht. Sie fotografierten und vermaßen alles ganz genau. Sie fanden deutliche Spuren, wo das Mädchen ausgeglitten war. Silke hatte Schuhe mit einer dunklen Gummisohle getragen. Sie konnten auch deutlich die Stelle erkennen, wo sie sich das Gesicht blutig geschlagen hatte. Je länger sie die Spuren prüften, um so sicherer wurde der Kommissar, daß es sich tatsächlich um einen Unfall gehandelt hatte. Aber es war natürlich nicht auszuschließen, daß jemand dem Mädchen einen Stoß gegeben hatte, das konnte aber eigentlich nur Brockenhausen oder seine Frau gewesen sein. Aber es war auch nicht auszuschließen, daß sich jemand anderer im Turm aufgehalten hatte und vielleicht von Silke überrascht wurde, die fliehen hatte wollen und dabei den Tod fand.
„Scheint ein Unfall gewesen zu sein“, sagte Weber, als sie den Leuchtturm verließen.’
Friedsen schnaufte. „Diesen Eindruck habe ich auch.
Warten wir mal auf die Ergebnisse der Obduktion.“
Gerd Thorensen konnte nicht
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