038 - Verbotene Sehnsucht
da die dumme Person sich erinnerte. Mrs. Conrads ohnehin rosiges Antlitz nahm einen tiefroten Ton an, der ihr gar nicht gut zu Gesicht stand, wie Emeline fand.
„Damit wollte ich nur sagen ... ich ... ahm ...", stammelte ihre Gastgeberin.
Das hatte man davon, wenn man die Einladung einer Dame annahm, die Ambitionen bezüglich der besten gesellschaftlichen Kreise hegte, doch leider nicht genügte. Es war Emelines Schuld, wirklich. Weshalb war sie auch gekommen? Sie seufzte und erbarmte sich. „Er ist also in der Armee?"
Dankbar griff Mrs. Conrad nach dem rettenden Strohhalm. „Nein. Oh nein. Nicht mehr. Zumindest glaube ich das nicht."
„Ah", sagte Emeline und sah sich nach neuem Gesprächsstoff um.
Der Salon war großzügig bemessen und kostbar ausgestattet. Ein prächtiges Deckengemälde zeigte Hades, wie er Persephone nachstellte. Die Göttin sah allerliebst und arglos aus. Mit sanftem Lächeln schaute sie auf die unten versammelte Gesellschaft herab. Gegen den Gott der Unterwelt würde sie aber keine Chance haben, wenngleich er in dieser Darstellung reizende rosige Wangen hatte und aussah, als könne er kein Wässerchen trüben.
Jane Greenglove, Emelines derzeitige Schutzbefohlene, saß auf einem Kanapee nahebei und plauderte mit dem jungen Lord Simmons. Eine sehr glückliche Wahl.
Emeline nickte wohlwollend. Lord Simmons verfügte über ein Einkommen von achttausend Pfund im Jahr und besaß ein annehmliches Haus nahe Oxford. Eine gelungene Verbindung, zumal Janes ältere Schwester Eliza jüngst den Antrag von Mr. Hampton angenommen hatte. So fügte sich doch alles trefflich - wie immer eigentlich, wenn Emeline sich bereit fand, eine junge Dame in die Gesellschaft einzuführen. Aber dennoch freute es einen stets aufs Neue, seine Erwartungen erfüllt zu sehen.
Sollte man zumindest meinen. Emeline ertappte sich dabei, wie sie eines der Spitzenbänder an ihrer Taille um den Finger wickelte, fasste und beherrschte sich und strich es wieder glatt. Wenn sie ganz ehrlich war, so fühlte sie sich ein wenig lustlos und verstimmt. Was natürlich lächerlich war. Ihr Leben ließ wahrlich nichts zu wünschen übrig. Absolut gar nichts.
Betont beiläufig sah sie zu dem Fremden hinüber, nur um festzustellen, dass sein dunkler Blick auf ihr ruhte. Um seine Augen zogen sich feine Falten zusammen, als ob er sich über etwas amüsierte. Gut möglich, dass er sich über sie belustigte. Rasch sah sie beiseite. Grässlicher Mann. Ganz offensichtlich war ihm nicht entgangen, dass alle Damen im Salon ihn bemerkt hatten.
Neben ihr hatte Mrs. Conrad zu plappern begonnen - vermutlich um ihren Fauxpas vergessen zu machen. „Ihm gehört eine Importfirma in den Kolonien. Ich glaube, dass er geschäftlich in London ist. Das meint zumindest Mr. Conrad. Und reich wie Krösus soll er sein, auch wenn man es kaum glauben mag, wenn man ihn so sieht."
Nach dem eben Gehörten war es unmöglich, ihn nicht doch noch einmal in Augenschein zu nehmen. Von den Schenkeln an aufwärts war seine Garderobe wirklich nicht weiter der Rede wert: ein schwarzer Rock und eine braun-schwarz gemusterte Weste. Soweit die standesübliche und gediegene Kleidung eines Gentlemans - bis man zu den Beinen kam. Dieser Mann trug doch allen Ernstes Beinkleider, die er nur von den Eingeborenen aus den Kolonien haben konnte! Sie waren aus braunem, seltsam glanzlosem Leder und wurden knapp unterhalb der Knie von rot-weißschwarz gestreiften Bändern gehalten. Vorn taten die Beinlinge sich auf und fielen ihm in bunt bestickten Schurzen zu beiden Seiten über die Füße.
Das Wunderlichste aber waren seine Schuhe, denn sie waren ohne Absätze. Soweit man das denn sah, schien er eine Art Schlupfschuh zu tragen, der aus demselben weichen, glanzlosen Leder war wie die Beinlinge und von der Ferse bis zur Zehenspitze mit Perlenstickerei besetzt. Allerdings war der Fremde auch ohne Absätze sehr groß geraten. Sein Haar war braun, und seine Augen, so sie es aus dieser Entfernung erkennen konnte, waren es auch. Auf jeden Fall nicht blau oder grün. Klug blickten sie unter schweren Lidern hervor. Sie musste ein Schaudern unterdrücken. Kluge Männer waren so schwer zu handhaben.
Er stand mit einer Schulter an die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah sich interessiert um. Gerade so, als wären sie hier die Exoten und nicht er. Seine Nase war lang und hatte einen Höcker, sein Gesicht gebräunt, als wäre er kürzlich erst aus warmen Gefilden
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