038 - Verbotene Sehnsucht
zurückgekehrt. Er hatte ein markantes, ungezähmtes Gesicht: Wangenknochen, Nase und Kinn stachen in jener aggressiv-männlichen Manier hervor, die so ausnehmend ansprechend war. Sein breiter Mund hingegen wirkte fast weich, mit einer sinnlichen Kerbe in der Unterlippe. Der Mund eines Mannes, der zu genießen wusste. Der genoss und verweilte. Ein gefährlicher Mund.
Emeline wandte abermals den Blick ab. „Wer ist er?"
Ungläubig starrte Mrs. Conrad sie an. „Ja, wissen Sie das denn nicht, meine Liebe?"
„Nein."
Ihre Gastgeberin war entzückt. „Aber Teuerste, das ist Mr. Samuel Hartley! Obwohl er seit gerade mal einer Woche in London ist, spricht bereits die ganze Stadt über ihn. Seine Gesellschaft gilt als nicht gänzlich respektabel, weil ..." Mrs. Conrad fing Emelines Blick auf und ließ tunlichst ungesagt, was sie hatte sagen wollen. „Nun ja.
Sagen wir einfach, dass trotz seines Reichtums nicht jeder erfreut ist, ihn zu sehen."
Emeline saß reglos und spürte ein leises Prickeln im Nacken.
Unverdrossen fuhr Mrs. Conrad fort: „Ich hätte ihn nicht einladen sollen, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Sehen Sie sich nur diese Gestalt an, meine Liebe!
Göttlich, nicht wahr? Und wenn ich ihn nicht eingeladen hätte, würde ich wohl auch niemals ..." Ihr atemloser Wortschwall endete jäh in einem erschrockenen Aufschrei, als sich unmittelbar hinter ihnen ein Mann vernehmlich räusperte.
Da Emeline unlängst beschlossen hatte, den impertinenten Fremden keines weiteren Blickes mehr zu würdigen, war ihr auch entgangen, dass er sich von seinem Beobachtungsposten an der Wand entfernt hatte. Dennoch wusste sie instinktiv, wer nun so unschicklich dicht hinter ihnen stand. Langsam wandte sie sich um.
Und schaute geradewegs in kaffeebraune Augen, die sie spöttisch betrachteten.
„Mrs. Conrad, ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie uns einander vorstellen würden." Er sprach mit flachem, amerikanischem Akzent.
Angesichts dieser dreisten Aufforderung musste Mrs. Conrad erst einige Male nach Luft schnappen, ehe ihre Neugier die Oberhand über ihre Entrüstung gewann. „Lady Emeline, dürfte ich Ihnen wohl Mr. Samuel Hartley vorstellen? Mr. Hartley, Lady Emeline Gordon."
Emeline sank in einen tiefen Knicks - nur um beim Erheben eine große gebräunte Hand hingestreckt zu bekommen. Einen Augenblick starrte sie überrascht darauf. So unkultiviert konnte dieser Mann nun wahrlich nicht sein, oder? Mrs. Conrads besinnungsloses Gekicher verlangte indes nach raschem Handeln. Flüchtig streifte sie mit den Fingerspitzen die seinen.
Vergeblich. Schon hatte er beide Hände um ihre Hand geschlossen. Fest und warm umfasste er ihre Finger. Seine Nasenflügel blähten sich kaum merklich, als sie sich unter seinem Händedruck genötigt sah, einen Schritt vorzutreten. Beschnupperte er sie etwa?
„Sehr erfreut. Wir geht es Ihnen?", erkundigte er sich.
„Gut", erwiderte Emeline. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, was ihr jedoch nicht gelang, obwohl Mr. Hartley gar nicht allzu fest zupackte. „Dürfte ich bitte meine Hand zurückhaben?"
Wieder dieser belustigte Zug um seine Lippen. Lachte er hier alle aus oder nur sie?
„Gewiss, Mylady."
Emeline wollte zu einer Entschuldigung ansetzen - und jede Entschuldigung wäre ihr recht, um diesem schrecklichen Mann zu entkommen doch er war schneller.
„Dürfte ich Sie in den Garten begleiten?"
Eigentlich war es überhaupt keine Frage, denn er bot ihr bereits seinen Arm und schien fest mit ihrem Einverständnis zu rechnen, was an Dreistigkeit kaum zu überbieten war. Was indes fast noch schlimmer war: Sie zeigte sich einverstanden.
Schweigend legte Emeline ihre Fingerspitzen auf seinen Rockärmel. Er nickte Mrs.
Conrad zu und hatte Emeline binnen Minuten aus dem Salon manövriert, wobei er sich für einen so linkischen Mann unerwartet geschickt anstellte. Prüfend sah sie ihn von der Seite an.
Er wandte den Kopf und fing ihren Blick auf. Wieder zeigten sich feine Falten um seine Augen, als würde er sich über sie belustigen, wenngleich sein Mund nicht einmal die Andeutung eines Lächelns erkennen ließ. „Sie müssen nämlich wissen, dass wir Nachbarn sind."
„Was soll das denn heißen?"
„Ich habe das Haus neben dem Ihren gemietet."
Emeline ertappte sich dabei, zu blinzeln. Wieder hatte er sie aus der Fassung gebracht - eine unschöne Erfahrung, die bei ihr ebenso selten wie unerwünscht war.
Sie kannte die Bewohner des Hauses, das rechter
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