0380 - Ich und der Poltergeist
dieser Nacht der Totenwache erfüllen wird.«
»Meinst du das im Ernst?« erkundigte sich Fallon.
»Mit so etwas spaße ich nicht«, erwiderte McDee und stieß mit den Stock zweimal auf.
Es war so, als hätte er ein Zeichen gegeben, denn die unheimlichen Vorgänge, die bisher pausiert hatten, griffen wieder voll in das Geschehen ein und zogen es an sich.
Diesmal hatten sich die anderen Kräfte den alles beherrschenden Gegenstand ausgesucht.
Es war der Sarg!
Das Zittern lief nicht mehr durch den Boden. Er blieb verschont.
Dafür erfaßte es den Sarg. Plötzlich wackelte er, das übertrug sich auf die in ihm liegende Leiche; auch die Orden und Ehrenabzeichen blieben nicht mehr ruhig. Sie klirrten gegeneinander, so daß sie den unerklärlichen Vorgang mit einer makaber klingenden Begleitmusik untermalten.
Die Kräfte verstärkten sich. Der Sarg begann zu schaukeln.
Erschwankte von einer Seite auf die andere, so daß es nur mehr eine Frage der Zeit war, wann er kippen würde.
Die alten Offiziere standen sprachlos und ängstlich in der Nähe des Sargs. Ohne etwas dagegen unternehmen zu können, beobachteten sie den unheimlichen Vorgang weiter und mußten erleben, wie der Sarg an seinem Kopfende in die Höhe gerückt wurde.
Es waren keine Hände, die ihn hochschoben, eine nicht erklärbare Macht sorgte dafür, daß das Kopfende immer höher stieg und die schwarze Totenkiste allmählich senkrecht hingestellt wurde. Was das bedeutete, war allen klar, ohne daß sie überhaupt darüber sprachen. Gleich würde der Sarg umkippen und die Leiche heraus und in die Arme des dort stehenden McDee fallen.
In McDees Gesicht zuckte es nicht einmal. Er war starr vor Entsetzen, hatte nur noch Augen für den sich aufrichtenden Sarg. Die Leiche des Kameraden bewegte sich langsam nach vorn und drückte mit ihrem Gewicht gegen den Sargdeckel.
Nur vier Kerzen spendeten Licht.
Sie gaben der Szenerie auch weiterhin eine schauerliche Untermalung.
»Harold!« Fallons Stimme klang erstickt bei der nächsten Frage.
»Wirst du den Toten auffangen?«
»Hör auf!«
McDee wollte nicht. Er wollte eigentlich weg, aber seine Knochen waren plötzlich doppelt so schwer geworden. Irgendeine Kraft bannte ihn und ließ ihn nicht weiter.
So schaute er mit aufgerissenen Augen nach vorn und wartete, bis die Leiche kippte.
Schon bewegte sie sich.
Das Kissen mit den Orden war längst nach unten gerutscht. Es lag jetzt auf den Füßen. Desgleichen die Mütze, die ebenfalls mit auf die lange Reise hatte gehen sollen.
Gleich mußte es soweit sein!
Der alte Offizier, der so schwere Schuld auf sich geladen hatte, begann plötzlich zu zittern. Obwohl er sich auf seinem Stock abstützte, konnte er dies nicht vermeiden. Dieses dritte Bein zitterte mit, und das Gesicht des Mannes wurde zu einer Maske des Schreckens.
Überdeutlich malte sich die Angst darin ab. Er hatte den Mund geöffnet, ohne jedoch einen Laut hervorstoßen zu können. Die Augen waren ebenfalls weitaufgerissen.
Dann kippte die Leiche!
Steif wie ein Brett fiel sie nach vorn. Nichts hielt sie mehr auf, und auch Harold McDee schaffte es nicht mehr, rechtzeitig genug zur Seite zu weichen. Außerdem war er zu alt. Als Greis hatten seine Knochen die Geschmeidigkeit längst verloren.
Voll bekam er den Toten mit.
Es war ein wuchtiger Schlag, der ihn nach hinten warf.
Harold McDee fiel auf den Rücken. Es entstand ein dumpfer Doppelklang, als er mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufschlug und der Sarg wieder in seine alte Lage zurückglitt.
Der Tote aber lag auf ihm!
Er hielt seinen einstigen Kameraden umfangen, als wollte er ihn niemehr loslassen und diesen mitreißen in das Meer der Ewigkeit.
Mit der Stirn war die Leiche gegen den Kopf des Harold McDee geprallt und danach abgerutscht, so daß der Schädel nun an der linken Seite lag.
Der übrige Körper drückte schräg auf den Liegenden, und eine Klaue des Toten berührte das Knie des noch lebenden Offiziers.
»Helft mir!« ächzte der Greis. »Verdammt, so helft mir doch!« Die Worte waren kaum zu verstehen, sie gingen im Seufzen und Stöhnen unter.
Die anderen beiden waren zu geschockt. Auf ihre Stöcke gestützt, standen sie in gekrümmten Haltungen da und schauten dem unheimlichen Vorgang zu.
Harold McDee hatte nicht die Kraft, den kalten Körper wegzudrücken, und so mußte er zunächst einmal in der Haltung bleiben.
Zeit verstrich.
Die Sekunden kamen McDee so endlos lang vor. Er hörte seinen eigenen Atem, dieses Pfeifen,
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