0381 - In der Schlangengruft
Tendyke.
Der Abenteurer wandte den Kopf.
Im gleichen Moment schloß Amos die Kneipentür wieder von außen und beeilte sich, außer Reichweite zu kommen. Ausgerechnet Tendyke! Der war in der Lage, Amos zu durchschauen. Der Ex-Teufel wußte nicht, wie er Tendyke wirklich einzuschätzen hatte, aber was er bisher über ihn erfahren hatte, ließ ihm diesen Mann unheimlich erscheinen. Der Abenteurer war ihm ein Rätsel.
Amos schalt sich einen Narren. Er hätte damit rechnen müssen, daß Tendyke hier war. Schließlich wußte er doch, daß Tendyke in der Nähe war, und daß er bestimmt noch nicht wieder abgereist war. Immerhin war er auch einmal kurz mit Zamorra in Caermardhin gewesen.
Aber Amos war sicher, daß Tendyke bei seinem Anblick keinen Verdacht geschöpft hatte. Die Begegnung war zu kurz gewesen.
Zur gleichen Zeit schüttelte drinnen in der Schänke Tendyke den Kopf. »Wer war denn der, der es sich gerade wieder anders überlegt hat?«
»Das war Sena Cochran«, sagte der Wirt. »Ein Schluckspecht erster Güte. Wenn’s den nicht gäbe, müßte hier wenigstens eine Kneipe schließen. Heute ist wieder sein Tag. Jetzt zieht er von einer Kneipe zur anderen. Offenbar ist er sich aber über die Reihenfolge noch nicht im klaren. Nun, dann erscheint er eben später.«
»Seltsam«, sagte Tendyke. »Irgendwie hatte ich das Gefühl, als würden zwei Leute da stehen.«
»Vielleicht hat er einen Saufkumpan mitgebracht«, vermutete der Wirt. »Zu zweit trinkt es sich schöner, und den Wirt freut die doppelte Rechnung.«
»Nein, es war anders«, sagte der Abenteurer. Aber er ging nicht weiter darauf ein. Er hatte diesen Sean Cochran nur für die Dauer weniger Herzschläge gesehen und auch nur undeutlich, weil er sich so schnell bewegte, aber er hatte den Eindruck, als überlagerten sich zwei Bilder. Wie bei einer Doppelbelichtung auf einem Foto…
»Du irrst dich bestimmt«, sagte Uschi Peters, die seinem Gedankengang gefolgt war. Sie saß mit ihrer Schwester mit am Tisch. Die beiden Mädchen nippten am Tee, während Tendyke ein Bierglas vor sich stehen hatte. Es war zwar erst das dritte über den Tag verteilt, aber vielleicht reichte der Alkohol bereits aus, daß seine Sinne ihm einen Streich spielten. So nahm er den unterbrochenen Gesprächsfaden wieder auf.
Währenddessen rief Sid Amos draußen auf der Straße seine Eindrücke wieder ab, die er in den wenigen Augenblicken aufgenommen hatte. Er versuchte sich an jede Einzelheit zu erinnern.
Tendyke, der Wirt… und zwei blonde Mädchen an einem Tisch. Zwei Mädchen, die im Aussehen nicht voneinander zu unterscheiden waren.
Da wußte er Bescheid.
Die Peters-Zwillinge waren hier!
Als Asmodis hatte er schon öfters mit ihnen zu tun gehabt, und sie hatten ihm manche harte Nuß zu knacken gegeben. Und jetzt?
Sie waren doch längst keine Feinde mehr.
Warum also, bei LUZIFERs Hörnern, verschwieg Zamorra, daß die Telepathinnen hier waren? Welchen Grund konnte er dafür haben? Gerade weil sie sich doch schon oft über den Weg gelaufen waren, bestand kein Grund, aus der Anwesenheit der Telepathinnen ein Staatsgeheimnis zu machen. Da war was oberfaul.
Immerhin erklärte es, woher Nicole von den Details um Su Ling wußte. Die Zwillinge mußten die Chinesin überwacht haben.
Aber weshalb das Geheimnis…? Weshalb sollte Amos nicht erfahren, daß sie hier waren?
Merlins dunkler Bruder hob die Hand und bildete aus den Kuppen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger ein sphärisches Dreieck. Er konzentrierte sich auf die Zwillinge. In der aufgespannten Sphäre entstand ein verschwommenes, kleines Bild.
Amos beobachtete. Er verstärkte seine Anstrengung. Jetzt konnte er die beiden Mädchen deutlich erkennen. Sie saßen am Tisch. Amos blendete Tendyke und den Wirt einfach aus. Dann drang er in die Tiefe vor.
Das Aussehen der Zwillingé…
Ihr Bewußtsein…
Und da stutzte der Ex-Teufel.
Er nahm noch eine dritte Bewußtseinsaura wahr. Sie war nur ganz schwach ausgeprägt, aber er konnte sie spüren.
Unentwickelt. Erst wenige Tage oder Wochen alt.
Eines der beiden Mädchen war schwanger.
***
Die Ssacah-Ableger in der Schlangengruft fixierten den Menschen, der zu ihnen herabgestürzt war. Er war direkt auf ein Knäuel von Kobras gefallen, die seinen Aufprall gedämpft hatten. Dennoch hatte er das Bewußtsein verloren.
Die Ssacah-Ableger wußten, wer dieser Mann war. Er hatte einen sehr hohen Rang in der Höllenhierarchie inne; einen der höchsten überhaupt.
Die
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