0382 - Der Teufel wohnt nebenan
Die Putzfrau hatte einen Schlüssel und schloss damit die Tür auf.
Es war ein kleines Office mit all den Einrichtungsgegenständen, die man in einem Büro erwartet: Ein kleiner Tisch mit einer Schreibmaschine, ein größerer Schreibtisch und ein paar Regale mit Akten und Karteikästen. Ein paar Kleinigkeiten verrieten, dass hier eine Frau residiert hatte. Alle Schubladen waren geschlossen, die Akten standen fein säuberlich aufgereiht in den Regalen.
»Schreiben Sie uns Ihre Adresse auf«, sagte Phil zur Putzfrau. »Wir geben Ihnen Bescheid, sobald wir den Nachlass von Carola Full gesichtet haben. Hat sie Angehörige?«
»Keine Ahnung. Vielleicht drüben in Europa. Sie kam 1950 als blutjunge Soldatenbraut über den Ozean. Aber ihr Mann scheint nichts getaugt zu haben. Nach ein paar Jahren ließ sie sich scheiden und sie hat den Namen ihres Mannes nicht ein einziges Mal erwähnt, seit ich sie kenne. Ich weiß nur, dass sie nach der Scheidung von Kalifornien nach New York kam. Offenbar wollte sie auch räumlich möglichst weit von ihrem ehemaligen Mann weg.«
»Okay. Hier ist Papier. Schreiben Sie Ihre Adresse auf. Den Schlüssel für das Zimmer behalten wir.«
Bis zu diesem Augenblick hatte sich Lieutenant Brackly schweigend im Hintergrund gehalten. Jetzt schob er seine gewichtige Figur in den Sessel vor dem Schreibtisch und ächzte: »Wollen wir uns gleich an die Arbeit machen? Wenn wir jedes einzelne Blatt Papier lesen wollen, das sich in diesem Raum befindet, werden wir viel zu tun haben.«
»Klar, Brackly«, sagte ich. »Wir machen uns gleich an die Arbeit. Ich bringe nur eben Mr. Strangefool nach Hause.«
Die Frau wohnte dicht am East Ri- . ver, und sie redete von dem Augenblick an, da sie in den Jaguar stieg, bis zu dem Moment, wo ich sie vor ihrer Haustür absetzte. Stöhnend wendete ich den Jaguar und fuhr zurück. Eine solche Frau zwei Stunden in der Nähe zu haben, war eine Strafe.
Als ich das Büro der toten Privatdetektivin wieder betrat, waren Brackly und Phil mit der Durchsicht der Akten beschäftigt. Also setzte ich mich an den Schreibtisch und begann, Schublade für Schublade durchzusehen.
Es war halb zwölf, als Brackly ein prustendes Geräusch von sich gab.
»Da«, schnaufte er. »Ich glaube, ich habe was gefunden.«
***
Ungefähr zur selben Zeit betrat Detective-Lieutenant Allan Bright im Hauptquartier der Stadtpoliziei das Büro eines Mannes, von dem die wenigsten Leute in New-York wissen, das es auch diesen Job bei der Polizei gibt, nämlich einen hauptamtlich für die Polizei tätigen Psychiater.
Doktor Layse sah nicht wie ein Wissenschaftler und schon gar nicht wie ein Psychiater aus. Er hatte ein gutmütiges, rundes Gesicht mit einer derben Knollennase, einer kleinen Warze auf der linken Wange, und er spielte immerzu mit drei verschiedenen Brillen, von denen jede für einen andere Zweck gedacht war.
»Hallo, Lieutenant Bright«, sagte Layse erfreut. »Da ist aber ein seltener Besuch. Wie geht es der Mordabteilung unter ihrem neuen Oberhaupt? Lassen Sie sich von der äußeren Erscheinung nicht reinlegen, Bright. Dieser MacLeash ist ein besserer Kerl, als die meisten glauben wollen.«
Bright setzte sich. Sein kantiges, gebräuntes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.
»Die Praxis stimmt mal wieder mit Ihrer wissenschaftlichen Analyse überein«, meinte er. »Aber ich bin nicht gekommen, um meinen neuen Vorgesetzten durchzuhecheln, Doc. Ich wollte ein Problem vortragen, für das Sie zuständiger sind als ich.«
»Ich höre«, sage Layse und nahm eine Brille ab, um sich eine andere aufzusetzen.
»Im Augenblick habe ich dauernd in unserem Künstlerviertel zu tun, in Greenwich Village.«
»Das wäre was für mich«, sagte Layse und lachte. »Im Grunde sind alle Künstler psychiatrische Fälle. Allein schon durch ihre künstlerische Begabung unterscheiden sie sich vom Gros der Menschen, und dann kommt dazu, dass sie aus ihrer Begabung noch eine Art Weltanschauung entwickeln. Aber legen Sie los. Bright. Um was geht es genau?«
»Eine hypothetische Frage: Halten Sie es für möglich, dass ein Mensch einen ausgeprägten Hass auf junge Künstler empfindet? Dass er sie für eine Art Teufel hält, die die Welt in einen Höllenpfuhl verwandeln wollen mit ihrer schwierig verständlichen modernen Kunst?«
»Sicher gibt es solche Leute. Fanatiker treffen Sie überall. Wir hatten vor Jahren in New York den Fall, dass eine verrückte Frau jedes Mädchen mit einem Messer anfiel, das einen
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