0382 - Der Teufel wohnt nebenan
Apparat am nächsten war, angelte ich mir den Hörer, sagte schön ordentlich meinen Namen und hörte gleich darauf die sonore Stimme unseres Einsatzleiters: »Fahren Sie mit Phil runter in die 21. Straße, Jerry. Es gibt da eine Baustelle, irgendeine Behörde des Bundes bekommt ein neues Bürogebäude. Die Arbeiter dort haben die Leiche einer Frau gefunden.«
»Okay. Wieso sind wir zuständig?«
»Haben Sie nicht ausgeschlafen Jerry? Eine Bundesbehörde baut, und Verbrechen auf bundeseigenem Territorium sind Sache der Bundespolizei, nicht wahr?«
»Okay«, erwiderte ich und dachte daran, dass für heute Rekordtemperaturen angesagt waren. Wenn man sich schon mal auf einen Tag in einem modernen Büro mit Klimaanlage freut, muss man hinaus in den Brutofen. Der sich New York City nennt.
Ich schilderte Phil in kurzen Worten, was wir zu tun hatten, während wir schon mit dem Lift hinabfuhren und das Districtsgebäude durch den Hinterausgang verließen, um in meinen Jaguar zu steigen, den ich im Hof abgestellt hatte.
Der schlimmste Frühverkehr war bereits abgeflaut, sodass wir ohne Verzögerungen hinab in die 21. Straße kamen. In der Nähe des Gramery Parks - einer der zahlreichen Grünanlagen von Manhattan - bummelte ein Patrolman die Straße entlang. Der Glückliche trug die leichteste Ausgabe der Sommeruniform, nämlich das kurzärmelige Hemd mit offenem Kragen. Das Dienstabzeichen mit seiner Kennnummer schimmerte im Sonnenlicht, spiegelblank war es geputzt. Phil fragte den Streifenbeamten der Stadtpolizei nach der Baustelle, trnd wir erfuhren, dass die weiter im Osten liege, kurz vor den Häuserblocks des Cooper-Village.
Ein hoher Bauzaun umgab die Großbaustelle. An mehreren, von starken Posten begrenzten Durchfahrten waren torähnliche Abschnitte der Bretterwand ausgehängt worden, um den Kies- und Materialtransporten ungehinderte Zufahrt zu ermöglichen. Wie immer standen ein paar Leute herum und gafften, als hätten sie noch nie eine moderne Baustelle gesehen.
Wir ließen den Jaguar dreißig Schritt vor dem Beginn des Zaunes stehen und legten den kurzen Rest zu Fuß zurück. Niemand hielt uns auf, als wir durch eines der offen stehenden Tore gingen.
»Wir sind anscheinend auf der falschen Seite«, murmelte Phil, als wir uns suchend umblickten. »Ich sehe nicht einmal einen Cop.«
Ich betrachtete die Sand- und Kieshaufen, die vom letzten Regenschauer noch nicht völlig ausgetrockneten Pfützen und die aufgewühlte Erde. Ein zweiter Blick galt meinen makellos glänzenden Halbschuhen.
Das Hochhaus stand schon bis zur neunten Etage. Die Stahlträger der nächsten beiden Stockwerke ragten darüber hinaus. Nicht weit von uns führten ein paar Bohlen über eine Art Graben hinweg zu dem Parterre-Eingang. Ich zeigte hin: »Wir gehen quer durchs Gebäude, dann kommen wir schneller auf die andere Seite.«
In den unteren Etagen wurde nicht mehr gearbeitet, sodass wir unangefochten auf die andere Seite des Gebäudes gelangten. Ungefähr zwölf-Yard weiter rechts war eine Mordkommission der Stadtpolizei an der Arbeit. Ein Polizeifotograf hatte sein Stativ aufgebaut und schoss Aufnahmen von der Leiche, die wenige Schritte von der Hausmauer entfernt neben einem riesigen Berg von Bausand lag.
Schon von weitem erkannten wir den dicken Brackly, der den Hut ins Genick geschoben, die unvermeidliche schwarze Zigarre im Mund und die Fäuste gegen die Stelle gestemmt hatte, die bei weniger beleibten Menschen Taille genannt wird. Brackly war als Detective-Lieutenant seit wer weiß welchen Zeiten Leiter der Mordkommission für den östlichen Bereich von Manhattan.
»Da seid ihr ja endlich«, schnaufte er, als wir bei ihm ankamen. »Das hier wird mal eine Bundesbehörde, und deshalb ließ ich das FBI benachrichtigen.«
»Danke, Brackly«, sagte ich mit einer sauren Miene. »Wie lange sind Sie schon hier?«
»Wir bekamen den Anruf vom Revier gegen halb acht. Der Bauführer hatte dort angerufen.«
»Wer hat die Leiche entdeckt?«
»Bauarbeiter. Ihre Namen und Adressen haben meine Leute aufgeschrieben.«
»Okay. Haben Sie bereits irgendwelche Vermutungen?«
»Es könnte ein Selbstmord gewesen sein. Wer von da oben runterspringt, kann ziemlich sicher sein, dass er die Ankunft hier nicht überlebt. Genauso gut kann sie jemand runtergestoßen haben.«
Dann müsste er die Frau erst einmal auf die Baustelle und ins Gebäude gelockt haben, wandte Phil ein, »und zwar außerhalb der Arbeitszeit, und das stelle ich mir nicht ganz
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