0383 - Londons Gruselkammer Nr. 1
seiner konturlosen Gestalt schimmerte ein roter quadratischer Fleck.
Der Würfel des Unheils.
Er hatte ihn wieder, auch wenn ihn Samaran noch hielt, der sich ebenfalls in der Wolke befand.
Beide holten Kamikaze zu sich. Der Killer verschwand vor Sukos und den Augen der Frau, als wäre er zuvor überhaupt nicht dagewesen.
***
Die Schergen erwischten mich nicht mehr, obwohl sie ihre Arme bereits erhoben hatten, denn die Zeitbrücke bestand nicht mehr, so daß beide Komponenten wieder getrennt wurden.
Die Henkersknechte wurden von der Vergangenheit aufgenommen, mich hatte die Gegenwart wieder und damit das Verlies des Schreckens, in dem alles so war wie vorher. Nur Samaran fehlte. Ich sah ihn nicht mehr, ich spürte nur, wie das rote Licht zusammenbrach und die Kälte blieb, die mich streifte.
Die Kälte aus der Tiefe des Grauens. Reste einer gewaltigen Wolke erkannte ich und wußte Bescheid, daß der Spuk persönlich eingegriffen hatte, um seinen Diener an die Leine zu nehmen oder zu retten.
Ich befand mich mittlerweile in einer wahren Euphorie und wollte dem Spuk entgegenschreien, aber die Wolke zog sich ebenso rasch wieder zurück, wie sie entstanden war. Schluß der Vorstellung.
Alles liefnormal.
Niemand war mehr da, der mich angriff, und auch die Puppen bewegten sich nicht. Die Falle, die für Suko und mich aufgebaut war, existierte nicht mehr.
Ich rief den Namen meines Freundes. Meine Stimme mußte im letzten Winkel des Verlieses zu hören gewesen sein, und ich bekam auch Antwort. Zwar nur schwach, aber identifizierbar.
Suko hatte sich gemeldet. Ich suchte und fand ihn bald. Er hockte eingeklemmt unter einem umgestürzten Galgengerüst und bemühte sich, seinen Fuß hervorzuziehen, was ihm erst gelang, als ich den Balken unter Aufbietung meiner gesamten Kraft in die Höhe hievte.
Erschöpft fiel Suko zurück und bat mich darum, mich um die Frau zu kümmern.
Ihren Namen erfuhr ich später. Ich mußte sie durch leichte Schläge gegen die Wange aus ihrer Erstarrung hervorholen. Sie stand da, schaute ins Leere und sprach von ihren Kindern.
»Wo sind sie? Wo?«
Plötzlich drehte sie sich um. »Ich hole sie!« schrie sie und rannte weg.
Wir ließen sie laufen.
Suko berichtete mir von seinen Erlebnissen, ich von meinen und hielt den Würfel dabei. »Ich glaube, mein Lieber, daß wir ihm so einiges zu verdanken haben.«
»Das meine ich auch.«
»Ist Kamikaze endgültig erledigt?« fragte ich.
Suko schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht, weil Schmerzen seinen Schädel durchzuckten. »Daran will ich nicht glauben. Er ist zumindest schwer angeschlagen.«
»Und Samaran muß sich etwas Neues einfallen lassen«, fügte ich noch hinzu.
»Keine Angst, das schafft der schon…«
***
Die Familie Gerber war überglücklich, daß sie alle vier mit dem Leben davongekommen waren. Sogar Heinz Gerber konnte ohne Hilfe laufen. Nach wie vor stand den Menschen die Angst im Gesicht geschrieben.
Sie wollten so schnell wie möglich die Kerker verlassen. Auch Suko und ich hatten nichts dagegen.
Oben wartete noch ein Toter auf uns. Um ihn sollten sich die Kollegen der Mordkommission kümmern. Ich wollte mich noch mit dem Besitzer der Anlage in Verbindung setzen.
Es war einiges zu reparieren, bevor neue Gäste den unheimlichen Schrecken der britischen Historie erleben konnten…
ENDE
Nachwort
The London Dungeon gibt es tatsächlich in der Tooley Street. Wer nach London kommt, sollte sich diesen Schauer oder diese Gänsehaut einfach gönnen und dem Kerker einen Besuch abstatten.
Aber Vorsicht! Starke Nerven mitbringen. Vielleicht ist doch nicht alles so tot, was man da zu sehen bekommt…
Also denn, Freunde. Londons Gruselkammer Nr. 1 wartet auf euch!
[1] Siehe John Sinclair Nr. 382 »Höllen-Friedhof«
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