0384 - Skylla, die Menschenschlange
beschworen und ihr die sechs Opfer zugeführt.«
»Aber sie gab dir nichts zurück!« schrie Glenda plötzlich, die das nicht begreifen konnte, weil es einfach so furchtbar war. Nur um Jugend und Frische zu bekommen, konnte man doch nicht einfach sechs junge Menschen töten. »Schau dich nur an, du alte Vettel. Ein Weib bist du! Ein widerliches verhärmtes Weib. Niemals wirst du das zurückerhalten, was ich noch besitze…«
»Irrtum. Ich habe es schon!«
»Sieh in den Spiegel, Marquesa!«
Die Adelige schüttelte den Kopf. »Das habe ich nicht nötig. Ich weiß, daß ich die Jugend zurückbekommen habe. Schau dir diesen Labortisch an. Sieh auf die Flaschen. Sie enthalten fast alle eine Tinktur oder Flüssigkeit…«
Glenda ließ ihren Blick über die Gegenstände gleiten. Die Marquesa hatte recht. Leere Gefäße gab es kaum. Die Glasbehälter enthielten eine dunkle Flüssigkeit. Sie also sollte der Frau Jugend, Schönheit und Frische zurückgeben. Kaum zu fassen.
»Na, hast du es gesehen, Glenda? Sechs Behälter sind es, wenn du sie nachzählst. Es waren auch sechs Mädchen, und Skylla besitzt sechs Arme. Für jedes Tentakel ein Mädchen. Ich warf ihre Körper dem Kranken vor. Skylla nahm sie an, sie saugte sie aus, sie nahm ihnen die Frische und die Jugend, denn sie ist eine magische Gestalt. Ein Wesen, das über sich nur die Hölle weiß. Und auch der Teufel stellt etwas Besonderes dar, wie ich schon erwähnte.«
Allmählich kam Glenda hinter den Plan. Sie hatte bisher angenommen, daß die Mädchen einen sinnlosen Tod gestorben waren. Er blieb auch jetzt noch in ihren Augen sinnlos, aber nicht in denen der Marquesa. Sie hatte damit einen bestimmten Plan verfolgt und war bereit, ihn noch weiter auszubauen.
»Willst du noch mehr hören, bevor ich dich töten lasse?« fragte die Marquesa.
»Meinetwegen.« Glenda gab ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang, wobei sie in Wirklichkeit voller Verzweiflung nach einem Ausweg aus dieser Misere suchte.
»Ich habe die sechs Mädchen also geopfert. Skylla nahm die Opfer dankbar an, und sie gab mir das, für das ich mein Leben lang geschwärmt hatte: Jugend und Schönheit. Jedes ihrer Tentakel strömte eine blaue Tinktur aus, die von mir aufgefangen wurde und die ich als Elixier der Jugend bezeichnen will. Erst durch die sechs toten Mädchen gelang es Skylla, die Tinktur zu produzieren. Das ist das ganze Geheimnis. Es sieht so schwierig aus und ist doch so einfach.«
Das gab auch Glenda zu. Sie hätte nie gedacht, daß eine so große Raffinesse hinter diesen Vorgängen stecken würde. Es war schon ein kleines Phänomen.
»Jetzt frage ich dich, Glenda, was willst du gegen mich noch ausrichten?«
»Ja, es sieht nicht gut aus.«
»Stimmt. Aber du hast Skylla nie gesehen – oder doch?« fragte die Marquesa.
»Auf einem Bild.«
Die Adelige zuckte zusammen. »Wieso auf einem Bild? Hat man sie gemalt?«
»Fotografiert.«
»Und wer?«
»Ein Kollege von mir aus London. Er arbeitet übrigens bei der gleichen Firma wie ich.«
Die Marquesa ging einen Schritt vor. »Ist das zufällig die Polizei?«
»Sogar Scotland Yard.«
Erst wollte sie lachen. Glenda vernahm bereits die krächzenden Laute, dann wurde ein Schimpfen daraus, das in einer Frage endete:
»Dieser Typ auf dem Boot – gehört er auch zu dir?«
»Sicher.«
»Wer ist es?«
»Zwei sind es«, antwortete Glenda. »Zwei Polizisten. Der eine kommt aus Deutschland. Er befindet sich auf der Spur einer gewissen Jutta Liebig, die auch zu deinen Opfern gehört hat. Der andere ist John Sinclair, mein unmittelbarer Vorgesetzter und…«
»Der Geisterjäger?«
»Genau.«
Die Marquesa sagte nichts mehr zu Glenda. Sie wandte sich an ihren stummen Diener und redete so heftig und schnell auf ihn ein, daß Glenda kein Wort verstand. Einige Male fiel der Name Sinclair.
Bonzo nickte.
Die Antwort mußte der alten gereicht haben. Sie wandte sich wieder Glenda zu. »Hat er hier in der Nähe nicht gegen den Unhold gekämpft? Ich fragte Bonzo, und er nickte.«
»Das stimmt.«
»Dann weiß ich, wer er ist.«
»Das freut mich«, erwiderte Glenda. »Es wird Ihnen somit klar sein, daß Sie es verdammt schwer haben werden. John Sinclair ist bisher durch tausend Höllen gegangen. Er hat sie alle geschafft, und er wird auch dich schaffen, du Vettel.«
»Nein!« brüllte die Marquesa. Ihr Mund klappte dabei auf, als hätte man die beiden Kiefer auseinandergerissen. »Diesmal nicht. Skylla ist stärker. Sie wird ihn längst
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