0388 - Der Dämonensarg
Sommer vollends verschwand.
Die Wolke »fraß« ihn!
Suko war grau im Gesicht geworden. Er durchstand furchtbare Augenblicke und hatte das Gefühl, in dieser Zeit um Jahre zu altern.
Alles konnte Suko vertragen, nur keine Hilflosigkeit.
Die Wolke stieg nicht einmal höher. Sie begann sich nur, in ihrem Innern zu drehen, als würden dort mehrere Spiralen sitzen, die das Opfer in die Mangel nahmen.
Dann fiel der Tote nach unten.
Es war wie bei Tom Jones, und der leblose Körper landete vor den Füßen des Inspektors.
Auf der Seite blieb er liegen. Suko drehte ihn herum. Er schaute in das Gesicht und wußte, daß diesem Mann kein Arzt auf der Welt mehr helfen konnte.
Er drehte den Kopf.
Sein Blick traf den der Terry Morgan.
Beide sagten nichts, dennoch redeten sie. Suko hatte das Gefühl, die unausgesprochenen Worte der Angst genau verstehen zu können. Diese Frau sprach mit ihrem Körper, den Blicken, eigentlich mit allem, was sie besaß, nur nicht mit ihrer Stimme.
Sie hatte die Kälte und Gnadenlosigkeit des Todes hautnah miterlebt und war tatsächlich vor Entsetzen starr.
Suko streckte einen Arm aus. »Kommen Sie bitte«, sagte er. »Ich glaube, Sie müssen jetzt versuchen, einiges zu vergessen, obwohl das verdammt schwer ist.«
Terry Morgan konnte nicht reden. Aber sie ging weg, wobei Suko, der sie anschaute, das Gefühl nicht loswurde, als würde die Frau auf fremden Beinen laufen.
Sie blieb vor einem Baum stehen, lehnte sich gegen ihn und verbarg ihr Gesicht.
Nicht einmal weinen konnte sie. Das würde möglicherweise später eintreten. Suko wußte jetzt nicht mehr, was er tun sollte. Sein Plan war hinfällig geworden. Er konnte die Frau in ihrem Zustand unmöglich alleine lassen. Die brachte es fertig und tat sich etwas an.
Da hörte er das Knacken.
Erst einmal, dann noch einmal. Die Geräusche verstummten auch nicht. Sie erfolgten mehrmals hintereinander, und sie drangen dabei von oben her an Sukos Ohren.
Er drehte sich um, blickte schräg in die Höhe und sah den Grund für diese brechenden Geräusche.
Die zweite Wolke schwebte heran.
Sie glitt lautlos, für das Brechen aber zeigten sich die beiden Klauen verantwortlich, die aus der Wolke schauten. Sie zerknackten starke Äste wie Zündhölzer, und Suko konnte erleben, welche gewaltigen Kräfte in diesen Pranken steckten.
Dagegen konnte kein Mensch ankommen.
Eine Demonstration der Macht wurde Suko gezeigt. Auch die Killerwolke stand nicht mehr still. Sie bewegte sich ebenfalls mit aus ihr pendelnden Armen.
»Terry!« Sukos scharfer Ruf erreichte die Frau. Er hoffte, sie aus ihrer Lethargie zu reißen. »Verdammt, Terry, so rühren Sie sich endlich!«
Sie hörte nicht.
Die zweite Wolke aber schwebte näher. Die aus ihr schauenden Klauen bewegten sich. Mal waren sie offen, dann wieder geschlossen, als wären sie dabei, einen Würgegriff zu üben.
Da Suko Terry Morgan als seinen Schützling bezeichnete, konnte er nicht so handeln, wie er wollte. Eins aber mußte er versuchen, bevor sie in den Wald eindrangen, um vor den beiden Wolken zu flüchten.
Er zog die Beretta!
Mit geweihten Silberkugeln war das Magazin aufgefüllt. Und die Klauen boten ein genügend großes Ziel, auch wenn sie sich bewegten und noch bewegt wurden.
Suko legte an, zielte genau und nahm die linke der beiden Pranken aus der zweiten Wolke aufs Korn.
Er schoß!
Eine fingerlange Flamme stach aus der Mündung. Der Schuß peitschte über die winzige Lichtung im Wald, und Suko sah, daß die Klaue von einem Schlag erschüttert wurde.
Sie geriet ins Pendeln, schlug sehr hoch nach hinten und berührte dabei fast die Wolke, bevor sie wieder nach vorn geschleudert wurde.
Aber sie war nicht vergangen!
Der Spuk hatte zur Bewachung des Dämonenschreins sehr starke Helfer abgestellt, denen Suko mit einer geweihten Silberkugel nicht beikommen konnte.
Einen zweiten Schuß versuchte er erst gar nicht mehr. Er ließ den Arm sinken und steckte die Waffe weg. Jetzt mußte er Terrys und sein Leben retten. Die Frau hatte den Schuß gehört, sich aber nicht darum gekümmert. Noch immer stand sie in der gleichen Haltung am Baumstamm und hatte ihre Stirn gegen die angewinkelten Arme gelegt. Dabei bewegte sich ihr Rücken, weil sie schluchzte, und Suko sah, als er sie wegriß, den Tränenstrom über die Wangen laufen.
»Kommen Sie!«
Sie schüttelte sich, stemmte sich gegen seinen Griff, weil für sie alles sinnlos geworden war.
Der Inspektor konnte keine Sekunde mehr verschenken und
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