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039 - Flucht in die Todeszone

039 - Flucht in die Todeszone

Titel: 039 - Flucht in die Todeszone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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in die Zukunft verschlagen hatte. Hinter ihm lag ein langer, abenteuerlicher Weg - vor ihm vermutlich auch.
    Die etwa fünfzig Blockhütten, aus deren Schornsteinen graue Rauchfahnen aufstiegen, erinnerten ihn an einen Ort, den er im Herbst
    2001 im Yukon-Territorium besucht hatte. Dawson hatte 1898 durch einen gigantischen Goldfund Berühmtheit erlangt. Wie das Örtchen hieß, auf dem sein Blick nun ruhte, wusste er nicht, denn vor fünfhundertvier Jahren hatte es noch nicht existiert. Wahrscheinlich nicht mal vor hundert Jahren, denn vor einem guten halben Jahrhundert hatte in diesem Land noch die Eiszeit geherrscht. Der Polarkreis war nicht fern. Selbst im Hochsommer wurde es selten wärmer als zwanzig Grad Celsius. Allerdings stand die Sonne nun hoch am Himmel, und die Last, die Matt auf dem Rücken trug, hatte seine Stirn mit Schweißtröpfchen bedeckt.
    »Hier siehts aus wie im Wilden Westen«, sagte er.
    Aruula runzelte die Stirn. Sie war im Gegensatz zu Matthew Drax ein Kind dieser Zeit und konnte mit solch altertümlichen Redensarten nichts anfangen. Außerdem: Wie konnte eine Windrichtung »wild« sein?
    »Vor hundertfünfzig…« Matt räusperte sich.
    »Vor sechshundertfünfzig Jahren war diese Gegend sehr dünn besiedelt… Es gab kein Gesetz… Da ging es ziemlich wild zu.«
    Aruulas schaute nun noch skeptischer drein.
    »Sie war noch dünner besiedelt als jetzt«
    »Nein.« Matt verdrehte die Augen. »Ungefähr so wie heute. Aber später, als ich geboren wurde…« Er seufzte. Wie sollte er es ihr beibringen? Aruula war gewiss nicht dumm. Aber es fiel ihr schwer, in Kategorien zu denken, die nicht die ihren waren. Die großstädtischen Krebsgeschwüre, die sich zu seiner Zeit über den Kontinent erstreckt hatten, sprengten ihre Phantasie. Zwar hatte der lange Marsch sie inzwischen in die Überreste der einen oder anderen Großstadt geführt, doch das, was man heute »Großstadt« nannte, war mit den damaligen nicht zu vergleichen.
    »Ich schlage vor, wir suchen einen Gasthof und bringen unser Wildbret an den Mann.« Matt setzte sich in Bewegung. Die Sonne sank allmählich den Bergen entgegen. Er nahm an, dass es die Appalachen waren. Wenn es dunkel wurde, kam die Kälte zurück. Sie waren drei Tage und Nächte auf dem Planwagen eines ambulanten Händlers gereist, der Orte am Fluss abklapperte, um seine Waren an den Mann zu bringen. Anschließend hatten zwei in Wildleder gekleidete Jägerinnen sie in einem Kanu mitgenommen. Er brauchte endlich wieder ein Dach über dem Kopf.
    Rechts und links des Roanoke breitete sich die Tundra aus. Hier und da krabbelte kleines Viehzeug herum. Zum Glück waren sie bisher keinen Raubtieren begegnet. Die Jägerinnen hatten gesagt, dass es in dieser Gegend davon nur so wimmelte - hauptsächlich von zweibeinigen.
    Vor der Ortschaft dümpelte ein langes Floß auf dem Wasser. Am Heck hatte jemand ein Zelt aufgebaut. Davor stapelten sich Kisten und pralle Säcke. Einige Menschen waren an Bord zu sehen, doch wegen der Entfernung nicht zu erkennen.
    Kurz darauf marschierten Matt und Aruula in einen Ort ein, der wie eine Niederlassung aus der amerikanischen Goldgräberzeit wirkte. Rechts und links der unbefestigten Straße erhoben sich ein- und zweistöckige Hütten. Vor ihnen erstreckten sich schmale, aus Brettern gehauene Gehwege. Die meisten Menschen, die sie sahen, waren dunkelhaarig. Ihre Augen wirkten leicht asiatisch. Wahrscheinlich hatten sie indianische Vorfahren. Die meisten trugen Schlapphüte und Wildlederkleidung und waren mit langen Messern bewaffnet.
    Matt und seine tierische Last fanden bei der Bevölkerung nur geringe Aufmerksamkeit. Bei Aruula war es anders. Mit fast allen Männern, denen sie begegneten, ging eine merkwürdige Veränderung vor: Sie verwandelten sich stehenden Fußes in sabbernde Idioten, stierten Aruulas Rundungen mit offenem Mund an und stießen kollektiv einen Laut aus, der wie
    »Boah!« klang. Matt zog den Schluss, dass man in diesem Örtchen nur selten ansehnliche Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts zu Gesicht bekam.
    Schließlich erspähte er einige Gasthöfe. Er erkannte sie an den Holmen vor der Tür, an denen merkwürdige Reittiere festgebunden waren. Etliche sahen aus wie eine Kreuzung aus Pferd und Hyäne. Über den Gasthof-Eingängen priesen Schilder mit Piktogrammen die Spezialitäten des Hauses an. Matts Blick fiel auf kleine Strichmännlein, die bauchige Flaschen schwenkten und bedrohlich nach links geneigt an einem Tresen

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