0390 - Lockvogel 1 spielt falsch
hoch; auf der breiten Michigan Avenue brauste der Verkehr achtspurig dahin.
Das Marberry war ein modernes Hotel mit Seeblick in der teuersten Gegend, ein Gebilde aus Glas und Aluminium. Wir reihten uns auf dem Hotelparkplatz in die dort abgestellte Flotte von Cadillacs und Lincolns ein.
Dick, der FBI-Mann, der zur Bewachung abgestellt war, kletterte aus seinen Dienstchevy.
Wir begrüßten uns, und ich bat ihn, vor dem Hotel zu warten. Dann betraten wir die Halle.
Dem Portier legte ich meinen Dienstausweis auf den Tresen. Ich erklärte, worum es ging.
»Wir hätten uns gerne das Zimmer von Mr. Bellison angesehen«, schloss ich.
»Ich hoffe, Sie gehen diskret vor. Nichts ist schneller ruiniert als der gute Ruf eines Hotels.«
»Keine Sorge, wir sind diskreter als ein Heiratsvermittler«, brummte Phil.
Der Lift brachte uns hinauf. Bellison bewohnte ein Apartment in der Dachetage.
Ich klopfte, dann schob ich den Schlüssel ins Schloss. Die Tür schwang auf, gab den Blick in einen im klassischen Empirestil eingerichteten Raum frei.
Fred stieß einen Pfiff aus.
»Wenn ich das hier mit meiner Bude vergleiche…«
Er brach ab. Und im gleichen Augenblick waren wir wieder draußen, hinter der schützenden Wand.
Das hässliche Knattern einer MP-Salve zerriss die Stille. Die Kugeln pfiffen über mich hinweg, schlugen in die Mauer, in das Holz der Türverkleidung, sirrten als Querschläger weiter.
Einen kurzen Blick hatten Fred und ich auf den Schützen geworfen. Ich hatte den Mann wiedererkannt.
Es war der Killer, den wir suchten.
Der Mörder von Harris.
***
Das Rattern der Salve verstummte ebenso schlagartig, wie es eingesetzt hatte. Ich sah Phil an. Keinem von uns war etwas passiert.
»Feuerleiter«, sagte ich zu Phil.
Phil nickte und machte sich auf den Weg. Der Gang machte einen Knick, sodass man vom Fenster aus das Apartment unter Kontrolle halten konnte.
Ringsum wurde es lebendig. Die Türen öffneten sich, und verstörte Hotelgäste wurden sichtbar.
»Fred«, sagte ich. »Sorge dafür, dass die Leute in ihren Zimmern bleiben. Der Bursche sitzt in der Falle. Wir kriegen ihn, aber ich will nicht, dass jemandem etwas passiert!«
Dann stellte ich mich so neben die Tür, dass ich in Deckung blieb. Meine 38er Automatic hielt ich schussbereit.
»Gib’s auf«, rief ich laut. »Du hast keine Chance. Das Hotel ist umstellt. Wirf die Waffe weg und komm raus!«
Zwei Sekunden verstrichen, dann kam die Antwort: »Kleiner Irrtum, G-man! Ich hab das Mädchen hier. Wenn ihr auch nur einen Mucks von euch gebt, bringe ich sie um.«
Mir trat der Schweiß auf die Stirn. Wen meinte er? Ich hatte niemanden gesehen.
»Bluff«, rief ich laut. »Darauf fallen wir nicht herein. Komm heraus oder wir räuchern dich mit Tränengas aus.«
Er lachte leise: »Los, Darling, beweise dem Schnüffler, dass es kein Bluff ist!«
Ich wartete. Und dann hörte ich eine weibliche Stimme: »Agent Cotton — hören Sie mich?«
Ich erkannte die Stimme sofort. Das war Felice de Vere. Bellisons Freundin, die ich sechshundert Meilen entfernt in New York wähnte. Sie musste das Nachtflugzeug genommen haben. Vermutlich wollte sie Bellison vor uns warnen und war seinem Mörder in die Hände gefallen. Warum hatte sie kein Vertrauen zu uns gehabt?
»Felice«, rief ich, »ist Ihnen etwas passiert?«
»Nein, aber er bringt mich um, wenn Sie gegen ihn vorgehen.«
Ich zweifelte nicht daran, dass sie recht hatte.
»Genug gequasselt«, meldete sich die raue Stimme des Killers wieder. »Hör genau zu, Schnüffler. Ich komme jetzt mit dem Mädchen raus. Ich habe den Finger am Abzug. Wenn ihr auch nur 24 die geringste falsche Bewegung macht, drücke ich ab. Du weißt, dass es mir ernst ist.«
Meine Gedanken jagten sich, aber es gab keinen Ausweg. Das Risiko war zu groß. Und er wusste es ganz genau. Seine Rechnung war einfach, und sie stimmte.
Phil tauchte neben mir auf.
»Ich nehme ihn aufs Korn«, flüsterte er.
Ich wehrte ab.
»Es hat keinen Zweck, Phil. Wir dürfen das Leben des Mädchens nicht gefährden.«
»He, G-man«, schrie er von drinnen. »Ich komme jetzt und schaff sie nach unten. Dort steht mein Wagen. Wenn ihr eine Verfolgung versucht, liefere ich sie ans Messer. Wenn ihr keine Dummheiten macht, ist das Mädchen in einer Stunde frei. Ich bringe niemanden um, wenn ich nicht dazu gezwungen werde.«
Ich schwieg. Der Bursche war ein kühler Rechner, der seine Chancen eiskalt durchkalkuliert hatte.
Schritte näherten sich, dann
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