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0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

0394 - Die Unheimliche vom Schandturm

Titel: 0394 - Die Unheimliche vom Schandturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Einbildung, bis sie das schrille Wiehern hörte, das die Stille des Friedhofs unterbrach.
    Das aus dem Nebel gestiegene Pferd lebte tatsächlich!
    Darüber mußte Erna Schmitz einmal nachdenken. Sie spürte das Hämmern ihres Herzens, sie merkte den Druck in ihrem Magen, und sie bekam nur noch schlecht Luft, als ihr dieses klarwurde. Das war ja furchtbar, einfach grauenhaft. Ein Pferd, das aus einem Grab oder eine Gruft stieg und trotzdem lebte.
    Gab es so etwas überhaupt?
    Ja – und die Erklärung?
    Erna Schmitz stand bewegungslos auf dem Fleck. Sie schaffte es auch nicht mehr, nach einer Erklärung zu suchen. Für diese Frau war es einfach unbegreiflich, so etwas zu erleben, und sie wußte auch nicht, was sie tun sollte.
    Jedenfalls konnte sie nicht auf dem Friedhof bleiben. Dort spukte es!
    Geister hatten die Regie übernommen. Gefährliche, gespenstische Wesen, die in einem Zwischenreich lauerten und nun die Grenze überschritten hatten, um diesen Teil des Friedhofs unter Kontrolle zu bringen.
    Das Wiehern des schwebenden Schimmels klang wie ein harter Trompetenstoß und riß auch die alte Frau aus ihren Gedanken. Sie wußte keine Erklärung für dieses Phänomen, das auf eine bestimmte Stelle beschränkt blieb, weil sich der Nebel nicht mehr weiter ausbreitete, aber ihr war klar, daß Geister nicht allein auf der Seite der Menschen standen. Sie konnten auch zu Feinden werden…
    Zu tödlichen sogar!
    Die Frau spürte den Druck in der Kehle. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie zugeschnürt worden. Ein Zittern durchlief ihre Gestalt.
    Noch drehte ihr das Pferd den Rücken zu, das dauerte nicht mehr lange, denn das in der Luft und über der Nebelwolke schwebende Tier schüttelte den Kopf und drehte sich.
    Genau in diesem Augenblick begann Erna Schmitz zu laufen. Sie konnte nicht mehr in die gefährlichen Augen schauen, in diese blassen, an den Rändern rötlich schimmernden Punkte, es war alles anders geworden. Völlig fremd, so unheimlich und grauenhaft.
    Erna mußte weg.
    Sie nahm den gleichen Weg, den sie auch gekommen war, weil sie einen anderen nicht kannte.
    Trotz ihres Alters bewegte sie sich ziemlich schnell voran. Zum Glück trug sie Schuhe mit flachen Absätzen. Aber sie wußte auch, daß das Pferd, wenn es wollte, schneller sein konnte als sie.
    Das war schlimm!
    Wieder vernahm sie das schrille Wiehern. Diesmal sogar lauter und näher bei ihr.
    Erna Schmitz überwand sich, blieb für einen Moment stehen und schaute zurück.
    Die Angst traf sie wie ein Schlag, denn der Schimmel hatte tatsächlich mit seiner Verfolgung begonnen und war schon nähergekommen. Er hatte in der Luft schwebend eine schräge Haltung eingenommen, schaute aus bösen Augen nach unten, fixierte sie, und ein leichter Windhauch fuhr durch die helle Mähne, um sie in die Höhe zu wirbeln.
    Erna Schmitz war klar, daß sie diesem Pferdemonstrum nicht entkommen konnte. Sie tat das einzig Gescheite.
    Ihr Schrei nach Hilfe gellte über den Friedhof…
    ***
    Die Hektik einer pulsierenden, lebendigen Stadt lag weit hinter uns, obwohl sich der Friedhof, den wir betreten hatten, mitten in Köln befand und von zahlreichen Straßen umgeben war.
    Doch hier herrschte Ruhe.
    In Petra Schwamborn hatten wir eine gute Führerin. Sie kannte einige Abkürzungen und führte uns über schmale Wege, die an den Rändern dicht bewachsen waren.
    So klein Petra Schwamborn auch war, sie hatte es sehr eilig und schritt zügig voran.
    Nur unsere Schritte hörten wir, hin und wieder auch ein Rauschen, das von irgendwelchen Fahrzeugen stammte, die über Straßen rollten und von uns nicht gesehen werden konnten.
    Friedhöfe sind Welten für sich. Man kommt sich vor wie im Reich der Toten, man redet unwillkürlich leiser, man geht langsamer, man atmet nicht so schnell, vielleicht aus einer tiefen Angst heraus, die Ruhe der hier Liegenden zu stören.
    Für mich sind sie nicht unheimlich, aber ich sah doch ein, daß auch ich mich der Umgebung anpassen mußte.
    Grabsteine sandten uns düstere Grüße entgegen. Ich las Sprüche, die den Tod und das Ewige Leben beschrieben. Ich sah Figuren, die schützend ihre Arme und geöffneten Hände über die Gräber ausbreiteten, als wollten sie alle fremden Einflüsse von ihnen fernhalten.
    Das Wiehern paßte nicht dazu.
    Jeder von uns hatte es gehört, auch Petra Schwamborn, die plötzlich stehenblieb, sich umdrehte und uns aus ihren großen, braunen Augen erstaunt anblickte.
    »Das war es!« hauchte sie.
    »Ein Pferd, nicht?«

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