0398 - Die Töchter von Atlantis
aus wie eine Kugel, von der man ein Stück abgeschnitten hatte. Sein Licht erreichte das dunkle Wasser und begleitete die Wellen auf ihrer Reise gegen den Strand. Die üblichen Geräusche umgaben mich, die trotzdem das Gefühl der Einsamkeit nicht unterdrücken konnten. Wer sich auf dieser Insel befand und kein Boot besaß, um wegzukommen, konnte elendig verhungern.
Der Segler war der, auf dem Myxin seine Mutter Macha Rothaar getötet hatte. Wieder rief ich mir die Erzählungen des kleinen Magiers ins Gedächtnis zurück und kam zu dem Ergebnis, dass das zerstörte Schiff eine Dimensionsreise hinter sich gebracht haben musste und aus einem bestimmten Grund jetzt wieder erschienen war.
Den wollte ich herausfinden.
Drei Mädchen, drei Skelette, drei Nixen! Das konnte einfach kein Zufall sein. Hinter diesem Plan steckte Methode. Und so wanderte ich gedankenverloren am Strand entlang, schleuderte mit den Fußspitzen den feinen Sand in die Höhe, der sehr schnell wieder zusammensank und liegen blieb. Auch meine Fußabdrücke verliefen auf dem weichen und nachgiebigen Untergrund. Falls die Mädchen hier am Strand gewesen waren, musste mit ihren Fußabdrücken das Gleiche geschehen sein, sodass ich mir eine Suche ersparen konnte.
Etwa fünfzig Schritte von dem geheimnisvollen Geisterschiff entfernt blieb ich stehen und schaute zurück.
Es lag wie ein gewaltiger Koloss zwischen den beiden Felsen.
Stumm, unheimlich – wie eine Mahnung der Toten an die Lebenden.
Ein Relikt aus der Vergangenheit, vollgepumpt mit schwarzer Magie und Erinnerungen an einen Muttermord.
Ja, Myxin hatte seine Mutter umgebracht, aber es hatte sein müssen. Wenigstens nach den damaligen Gesetzen, wo nur Hass, Macht und Stärke galten.
Plötzlich hörte ich das Summen.
Im ersten Augenblick dachte ich daran, dass es der Wind, der sich zwischen den Felsen gefangen hatte, aber soschrill, laut und gleichzeitig singend hatte ich ihn nie gehört. Dieses Geräusch musste eine andere Ursache haben. Es kam vom Wasser her.
Ein sirenenhafter Gesang, der mich erreichte und mein Gehör völlig ausfüllte. Ich sah nichts, aber das Singen übertönte sogar das gleichmäßige Rauschen der an den Strand rollenden Wellen.
Ich ging weiter vor, erreichte das Wasser und merkte kaum, dass der Wellenschaum meine Füße überspülte, denn mich hatte eine bestimmte Stelle auf dem Wasser fasziniert.
Dort war ein Kreisel entstanden, der hell schimmerte, als wäre er von einem besonders starken Mondlichtstreifen getroffen worden.
Und dieser Kreis bewegte sich dort, wo sich der spitze Bug des Schiffes aus dem Felsenkanal in das Wasser hineinschob.
Gleichzeitig steigerte sich die Lautstärke des Gesangs, der mich immer stärker faszinierte.
Und plötzlich stieg etwas aus dem Kreisel hervor.
Drei Wassernixen, an deren nackten Oberkörpern das Wasser wie blanke Tautropfen nach unten rann. Junge Mädchen mit schaukelnden Brüsten und langen, dunklen Haaren sowie hellen Gesichtern, aus deren Mündern der Gesang drang.
Da wusste ich Bescheid.
Es waren die Töchter von Atlantis!
***
Also doch!
Ich stand da, wurde bis zu den Knöcheln vom heranrollenden Wasser umspült, schüttelte den Kopf, schluckte, räusperte mir die Kehle frei und konnte es kaum fassen.
Ich sah sie vor mir.
Junge, herrliche Geschöpfe, die einen menschlichen Oberkörper, von der Hüfte abwärts jedoch einen langen, schuppigen Schwanz besaßen, mit dem sie sich im Wasser grazil und schnell bewegen konnten. Noch wollte ich es nicht fassen, hielt alles für einen verführerischen Traum, schloss die Augen, wischte über mein Gesicht, aber das Singen blieb, und es bewies mir auch bei geschlossenen Augen, dass ich keinem Trugbild erlegen war.
Es gab sie!
Wieder schaute ich hin und sah sie noch deutlicher, weil sie sich bis zu den Hüften aus dem Wasser geschwungen hatten. Drei Wassernixen, deren Schwanzflossen sich träge bewegten, sodass sie sich auch an der Oberfläche halten konnten. Ob sie mich entdeckt hatten, wusste ich nicht. Sie jedenfalls schauten auf das Schiff, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen.
Zwei von ihnen hielten sich umfangen wie Verliebte. Ihre Hände lagen jeweils auf den Schultern der anderen, und sie sangen ebenso wie die dritte Nixe ihre leisen Klagelieder.
Dass diese drei Mädchen eine Gefahr darstellten, war für mich schwer zu glauben, deshalb wollte ich sie auch ansprechen, mit ihnen reden oder mich anderweitig mit ihnen verständig machen.
Hier wurden
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