04_Es ist was Faul
wollen.«
»Wissen Sie«, sagte Cheese und drohte mir mit dem Finger.
»Sie waren schon immer ein klein bisschen zynisch. Sie müssen
lernen, uns zu vertrauen.«
»Ja, ja. Vertrauen. Glauben Sie denn im Ernst, die Öffentlichkeit wird diesen rührseligen Der-Herr-möge-uns-vergebenStil akzeptieren, nach vier Jahrzehnten der rücksichtslosen
Ausbeutung und Unterdrückung?«
»Rücksichtslose Ausbeutung?«, wiederholte Cheese in beleidigtem Tonfall. »Was wir gemacht haben, war doch eher eine
Art Fördern durch Fordern, finden Sie nicht? Außerdem waren
es fünf Jahrzehnte, nicht vier. Sind Sie sicher, dass Ihr Cousin
Eddie nicht doch aus Dänemark kommt?«
»Nein, aus Dänemark kommt er bestimmt nicht.«
Allmählich erinnerte die Begegnung mit dem scheinbar so
harmlosen Cheese mich wieder daran, was mir Goliath angetan
hatte. Schließlich war es die Goliath Corporation gewesen, die
mich zur NichtungsWitwe gemacht hatte. Der ehemalige Vorgesetzte dieses Kaffeebrühers da hatte Landen auf dem Gewissen. Ach, Landen!
»Was macht denn Schitt-Hawse jetzt?«, fragte ich Cheese.
»Ich glaube, er hat einen Posten in Goliathopolis. Ich verkehre ja nicht mehr in diesen Kreisen. Wir sollten uns wirklich alle
mal wieder treffen und ordentlich einen heben, finden Sie
nicht?«
»Ich glaube, ich möchte lieber meinen Ehemann wiederhaben«, sagte ich finster.
»Oh!«, sagte Cheese. Er schien völlig vergessen zu haben, was
für eine spezielle Gemeinheit mir Goliath angetan hatte. Dann
fügte er langsam hinzu: »Sie sind uns sicher sehr böse.«
»Eher ein bisschen mehr.«
»Das können wir nicht zulassen. Beim Bereuen sind wir die
Besten. Haben Sie schon eine Aufhebung Unfairer GoliathMaßnahmen beantragt?«
Ich starrte ihn an, ohne etwas zu sagen, und hob meine linke
Braue.
»Na ja«, sagte er. »Goliath gestattet unzufriedenen Bürgern
jetzt, unbillige oder übertrieben harte Maßnahmen aufheben
oder widerrufen zu lassen – eine Art Wiedergutmachung,
sozusagen. Wenn Goliath das Opium der Massen werden will,
müssen wir zunächst einmal unsere Sünden bereuen. Am
liebsten würden wir unser Unrecht wieder gutmachen und alle
ganz lieb in den Arm nehmen, um zu zeigen, dass wir es ernst
meinen.«
»Sind Sie deshalb degradiert worden?«
»Genau!«
»Wo muss man die Anträge denn stellen?«
»Wir haben ein Apologarium in Goliathopolis eröffnet. Sie
können die kostenlose Gravitube vom Tarbuck Graviport
nehmen. Dort erklärt man Ihnen schon, was Sie tun müssen.«
»Himmlischer Friede, ja?«
»Beim Frieden ist Goliath unübertroffen, Miss Next. Füllen
Sie einfach das Formular aus, und dann suchen Sie einen unserer geschulten Apologisten auf. Ich bin sicher, die holen Ihren
Ehemann im Nu zurück.«
Ich nahm den Mokka mit Sahne und den Latte, setzte mich
ans Fenster und betrachtete das SpecOps-Gebäude auf der
anderen Straßenseite.
Hamlet spürte meine innere Unruhe und beschäftigte sich
mit einer Liste von Dingen, die er Ophelia sagen wollte, obwohl
er wusste, dass er es nicht über sich bringen würde. Dann
verfasste er einen Dankesbrief an Sir John Gielgud.
»Ich muss ein paar Dinge erledigen«, sagte ich nach einer
Weile. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle, und erzählen Sie
niemandem, wer Sie wirklich sind. Verstanden?«
»Ja.«
»Und wer sind Sie?«
»Hamlet, Prinz von … Nein, ich mache nur Witze. Ich bin
bloß dein Vetter Eddie.«
»Gut. Außerdem hast du Schlagsahne an der Nase.«
6.
SpecOps
Das Special Operations Network war eine Behörde, die sich
um Aufgaben kümmerte, die für die reguläre Polizei zu speziell waren. Es gab über dreißig Unterabteilungen. SO-1 überwachte uns alle, SO-12 war die ChronoGarde, SO-13 beschäftigte sich mit rekonstruierten Arten. Vampire und
Werwölfe wurden von SO-17 entsorgt, und SO-32 setzte die
GartenbauRichtlinien durch. Ich war bei den LiteraturAgenten, SO-27, gewesen. Nachdem ich zehn Jahre lang
Milton-Texte geprüft und gefälschte Shakespeare-Stücke
entlarvt hatte, gelang mir der Sprung in die Bücher selbst.
Danach erschien mir die SpecOps-Arbeit ziemlich lahm. Bei
Jurisfiktion konnte ich die Pferde einfangen, wenn sie
durchgehen wollten. Bei SpecOps konnte ich bloß mit einem Halfter und dem Foto einer Karotte auf einer großen
Wiese herumwandern.
THURSDAY NEXT,
private Tagebücher
Ich stieß die Eingangstür auf und betrat das SpecOps-Gebäude.
Die Räumlichkeiten wirkten viel schäbiger, als ich
Weitere Kostenlose Bücher