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04 - Herzenspoker

04 - Herzenspoker

Titel: 04 - Herzenspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Gedanken«,
unterbrach ihn Lord Guy »Wir sind da und fünfzehn Minuten zu spät.«
    Aus dem
Haus am Berkeley Square hörte man Frauen schreien und Porzellan und Gläser
zerbrechen.
    Wieder
einmal betrat Lord Guy das Haus als ungebetener Gast. Ohne zu zögern ging er
auf das Schlachtfeld im Salon zu.
    Die
Kinder schrien aus Leibeskräften und bewarfen sich mit Gelee. Esther hielt ein
um sich schlagendes, brüllendes Kind von etwa sechs Jahren unter den Arm
geklemmt, während dessen zierliche Mutter - Mrs. Havers-Dunese -
sie eine Mörderin nannte und mit der einen Hand versuchte, ihr Kind zu
befreien, mit der anderen Esthers Gesicht zu zerkratzen.
    Die
Countess of Resway war in Ohnmacht gefallen; ihre Zofe hielt ihr brennende
Federn unter die Nase, während ein Püppchen mit einem Engelsgesicht der
abgelenkten Zofe eine Cremeschnitte in die Hutkrempe stopfte.
    Die
Tischdecke auf dem langen Büfett an der Stirnseite des Zimmers, auf dem die
Speisen angerichtet gewesen war, war halb herabgezogen. Inmitten des
Durcheinanders saßen drei Knirpse und heulten wie Schlosshunde, während die
älteren Kinder Zeter und Mordio schrien wie Indianer auf dem Kriegspfad.
    In
diesem Moment erblickte Esther Lord Guy Carlton. Das ist zuviel, dachte sie.
Sie wollte ihn gerade anbrüllen, er solle sich hinausscheren, als sie merkte,
dass sich eine unheimliche Stille im Raum ausgebreitet hatte. Dabei tat er gar
nichts. Er stand einfach nur, da - in seinem eleganten Maßanzug von
Weston, mit seinem strahlend weißen, gestärkten Hemd aus feinstem Leinen, mit
seiner prachtvoll bestickten Weste, seinen ledernen Kniehosen und seinen
Reitstiefeln, die glänzten wie schwarzes Glas - und betrachtete das Spektakel
durch sein Monokel.
    Die
Kinder starrten ihn schweigend mit offenen Mündern an. Die Countess of Resway
hatte sich, nach Luft schnappend, von ihrer Ohnmacht erholt, stieß ihre Zofe
samt den Federn weg und strich ihr Haar zurecht. Mrs. Havers-Dunese lächelte
schüchtern; Mrs. Dunstable nahm ihre wirkungsvollste Pose, nämlich die der
Artemis, ein - dabei musste sie mit der Hand die Stirn beschatten und
einen Fuß hinter sich in der Schwebe halten; die Ehrenwerte Clare French hatte
sich abgewandt und schob verstohlen ihre losen Haarsträhnen unter den Hut
zurück; und Lady Partlett warf neckisch schmollend die Lippen auf und machte
eine missbilligende Handbewegung, als ob sie andeuten wollte, dass das alles
nichts mit ihr zu tun habe.
    Lord
Guy ließ sein Monokel sinken. Er schaute auf das älteste Kind, Bartholomew
Dunstable, einen linkischen Vierzehnjährigen, und gab ihm mit dem Finger zu
verstehen, er solle näher treten. Sanft wie ein Lamm trat Bartholomew vor ihn
hin.
    »Ich
ernenne dich zum Hauptmann dieses Regiments«, sagte Lord Guy. »Miß Jones wird
ihre Hausmädchen anweisen, Schaufeln und Besen, Lappen und Wassereimer an die
Kinder zu verteilen. Wenn dieses Zimmer tadellos sauber ist, wirst du Miß Jones
Bericht erstatten. Hast du verstanden?«
    »Ja,
Sir«, sagte Bartholomew mit schmeichlerischem Lächeln.
    »Rainbird,
habe ich Ihre Vorführung versäumt?« fragte Lord Guy.
    »Nein,
Mylord. Ich habe keine Möglichkeit gehabt, anzufangen.«
    »Ich
freue mich darauf. Ich schlage vor, Sie ziehen sich mit Joseph nach unten
zurück, bis das Zimmer aufgeräumt ist. Miß Jones, Ihren Arm. Wir wollen uns
ebenfalls zurückziehen.«
    Esther
schaute überrascht zu ihm auf. Wie seltsam, dachte sie, einmal zu einem Mann
aufschauen zu können.
    Sie
gestattete ihm, sie aus dem Zimmer zu führen, und gab ihrem Butler Graves -
der sich in einer Ecke der Halle verborgen hielt - Anweisungen für die
Hausmädchen.
    Die
Mütter folgten im Schlepptau.
    Im
Salon wartete Esther, bis sich die Damen gesetzt hatten und fragte dann
ziemlich frostig: »Welchem Umstand verdanke ich die. Ehre Ihres Besuches,
Mylord?«
    »Wollen
Sie mich nicht zuerst vorstellen?« fragte Lord Guy und lächelte in ihre Augen.
    »Oh!«
Esther errötete und stellte vor: »Lord Guy Carlton der im Moment in der Clarges
Street Nr. 67 residiert«, fügte sie boshaft hinzu, in der Hoffnung, dass der
schlechte Ruf des Hauses bewirkte, dass den Damen das Lächeln verging.
    Aber
sie erreichte nur, dass die Damen noch entzückter von ihm waren. Sie neckten
ihn verschämt wegen der »Vorfälle« bei dieser berühmten Gesellschaft -
denn die Geschichte von dem ausschweifenden Fest hatte sich schnell in West End
verbreitet. Lord Guy hielt eine bewegende Ansprache über die

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