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04 - Herzenspoker

04 - Herzenspoker

Titel: 04 - Herzenspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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ihr vor, als sei sie von eleganten und exotischen Raubvögel   umzingelt,
zumal Federn in dieser Saison Mode waren. Die Countess of Resway, di e ihren
mageren, faltigen Hals wie
    Geier
aus dem weißen Marabukragen reckte, war die erste, die merkte, dass Esther
keine Ahnung von den ungeschriebenen Gesetzen und den tonangebenden Mitgliedern
der Gesellschaft hatte.
    »Meine
liebe Miß Jones«, sagte sie und verspeiste dabei mit kleinen spitzen
Mundbewegungen große Mengen Kümmelkuchen, »es ist einfach unmöglich, dass Sie
den lieben George nicht kennen.«
    »Der
liebe George« war Mr. Brummell, jene berühmte Autorität in Sachen Mode; doch
sagte das Esther, die die Taktik, die Vornamen von berühmten Leuten so nebenbei
fallenzulassen, nicht beherrschte, gar nichts.
    »Ich
fürchte, ich kenne kaum jemanden«, sagte Esther bescheiden.
    Die
Augen der Damen leuchteten vor Freude auf. Unter zahlreichen »oh, meine Liebe,
aber Sie müssen« machten
sie sich an die wunderbare Aufgabe, Esther das Gefühl zu geben, sie sei eine
arge Landpomeranze. So beschämt war sie, dass es einige Zeit dauerte, bis sie
das ohrenbetäubende Geschrei und Getöse, das von unten heraufdrang, überhaupt
wahrnahm.
    Sie
wollte gerade aufstehen und nachsehen, was da los war, als sich die sonst so
unsicher auftretende Miß Fipps räusperte und unerwartet für Esther in die
Bresche sprang. Esther konnte es zuerst gar nicht glauben. Sie hatte Miß Fipps
als notwendiges Übel, aber niemals als Anwältin für ihre Belange betrachtet. Es
hätte sie überrascht und gerührt, wenn sie gewusst hätte, dass Miß Fipps nie
zuvor diese Rolle gespielt, die ältliche Jungfer sie aber sehr schnell ins Herz
geschlossen hatte.
    »Miß
Jones kennt bis jetzt noch niemanden«, sagte Miß Fipps. »Und der Grund dafür
ist, dass Miß Jones die reichste Frau Englands ist und Speichelleckern,
Emporkömmlingen und verarmten Mitgliedern der Gesellschaft aus dem Weg gehen muss.
Sie legt an sich und andere sehr hohe Maßstäbe an und hat den Beifall der
Gesellschaft nicht nötig. Aber die Gesellschaft steht heute vor ihr auf dem
Prüfstand, meine Damen. Es liegt an Ihnen, ob sich Miß Jones eine gute Meinung
von den tonangebenden Kreisen bildet.«
    Esther
zwang sich, ruhig und würdig dreinzublicken. Die Damen waren im ersten
Augenblick entrüstet darüber, dass, jemand sie einer Prüfung unterziehen könnte.
Aber das Zauberwort, das sie zum Teil als übertriebenen Dienstbotenklatsch abgetan
hatten, klang ihnen in den Ohren wie der Gesang einer Sirene - »die
reichste Frau Englands«.
    Auf der
Stelle vollführten sie eine schnelle und hundertprozentige Kehrtwendung und
versprachen Einladungen, lobten Esthers Kleid, ihr Auftreten, ihre Haare und
ihr Haus, bis sich Esther mindestens genauso unwohl fühlte wie angesichts ihrer
spitzen und boshaften Bemerkungen.
    Auf
einmal wurde die Wohnzimmertür aufgerissen, und Peter stand, von oben bis unten
mit Kuchen bekleckert, da.
    »Komm
schnell, Esther«, rief er. »Sie schlagen unser Haus kurz und klein. Es sind
lauter Wilde!«

    »Haare!« sagte Lord
Guy zornbebend, als er mit Mr. Roger in wilder Fahrt zum Berkeley Square fuhr.
»Haare! Das war alles, worüber der alte Narr mit mir sprechen wollte. Er redete
stundenlang. Warum Wellington den berühmten britischen Hängezopf abgeschafft
habe? Es demoralisiere die Streitkräfte. Es gebe Napoleon Macht. Ich sagte, es
sei schlicht eine Frage der Hygiene. jeder Soldat müsse neuerdings seine Haare
kurzschneiden lassen und jeden Tag waschen. Er sagte, die ganze Wascherei sei
ungesund. Warum man sich über ein paar kleine graue Gentlemen so aufrege -
damit meinte er Läuse. Er habe selbst welche, sagte. der schmutzige alte...
General, zog einen Kratzer hervor und schabte direkt vor meiner Nase auf seinem
Kopf herum.«
    »Immerhin
konnte Manuel wenigstens keine militärischen Geheimnisse hören«, meinte Mr.
Roger.
    »Was
willst du damit sagen?«
    »Ich
könnte schwören, dass ich den Kerl beinahe mit dem Ohr an der Tür ertappt
hätte, aber ich kann mich auch geirrt haben. jedenfalls habe ich ihn
weggeschickt, um Zigarren zu holen, und selbst den Platz an der Tür
eingenommen.«
    »Hör
auf, Manuel der Spionage zu verdächtigen. Wenn es nach den Londonern geht, ist
jeder Ausländer ein Spion. Gestern haben sie am King's Cross einen armen alten
französischen Emigranten angefallen und beinahe umgebracht.«
    »Trotzdem«,
begann Mr. Roger und legte die Stirn in Falten. »Mach dir keine

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