04 Im Bann der Nacht
seine Haut bereits verunzierten. »Es verbrennt mein Fleisch, was denkst du denn?«
Sie schluckte. »Sagen Sie mir, was Sie mir angetan haben, dann lasse ich Sie frei.«
»Anna, ich habe dir nichts angetan.«
»Ich weiß, ich bin keine Vampirin, aber offensichtlich hat Ihr Biss mich in etwas verwandelt …« Ihre Worte verklangen, während sie die Hand hob und gegen ihren Hals presste. Es war genau die Stelle, an der er vor all diesen Jahren ihr Blut getrunken hatte, das erkannte er, während eine besitzergreifende Begierde in ihm aufflackerte. »Etwas?«
»Etwas Seltsames.« Sie funkelte ihn an, und es wurde deutlich, dass sie ausschließlich ihn für ihre Andersartigkeit verantwortlich machte. »Sagen Sie mir, was mit mir nicht stimmt!«
»Mit dir stimmt alles, querida . Tatsächlich bist du nichts weniger als vollkommen.« Er hob seine gefesselten Hände. »Nun, abgesehen von einem Handschellenfetisch. Nächstes Mal werden wir Leder und Peitschen verwenden.«
»Lenken Sie nicht ab, Cezar! Etwas ist damals passiert.« Sie sah ihn verwirrt an. »Alles … hat sich verändert.«
Cezar lächelte über ihren unheilvollen Tonfall. Nahezu jeder würde die Entdeckung, unsterblich zu sein, als einen Glücksfall betrachten und nicht als einen Schicksalsschlag. »Was hat sich verändert?«
»Verdammt, das ist nicht witzig!«
»Anna, ich necke dich nicht«, beschwichtigte er sie. »Erzähl mir, was geschah, nachdem ich dich in jener Nacht verlassen hatte.«
Sie umschlang sich selbst mit den Armen, als fröstele sie plötzlich. »Nachdem wir …«
»Uns geliebt hatten?«, soufflierte er, als sie ins Stocken geriet.
»Nachdem wir Sex gehabt hatten«, korrigierte sie ihn, »bin ich eingeschlafen und erst aufgewacht, als es fast schon Morgen war. Ich hatte keine andere Wahl, als aus dem Fenster zu klettern und ins Haus meiner Tante zurückzuschleichen. Als ich da ankam …« Erneut verstummte sie, aber dieses Mal war es keine Verlegenheit, sondern ein uralter Schmerz, der sie plötzlich in seiner Gewalt hatte.
»Was war da, Anna?«, half er sanft nach. Er machte sich nicht die Mühe, den Versuch zu unternehmen, sie in seinen Bann zu ziehen. Als künftiges Orakel war sie wahrscheinlich immun gegenüber solchen Gedankenmanipulationen. »Sag es mir.«
»Das Haus war bis auf die Grundmauern abgebrannt«, zwang sie schließlich die Worte über ihre Lippen. »Zusammen mit meinen einzigen Familienangehörigen. Ich blieb allein zurück, ohne ein Zuhause und ohne jemanden, an den ich mich wenden konnte.«
» Dios! Wie ist das geschehen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Sein Gesicht nahm einen undurchdringlichen Ausdruck an, als ihm die Erkenntnis kam, dass die Orakel Annas Schwierigkeiten absichtlich vor ihm geheim gehalten hatten. Wenn sie nicht eingeschritten wären, hätte er Annas Not sicher gespürt. »Was hast du dann getan?«
Sie schüttelte den Kopf, und ihr honigfarbenes Haar streifte über ihre nackten Schultern und erfüllte die Luft mit seinem bezaubernden Duft. Cezar erbebte, und seine Fangzähne sehnten sich nach einer Kostprobe. Der einzige
Grund dafür, dass er der Versuchung widerstand, war die Erinnerung an das, was beim letzten Mal geschehen war, als er das Blut dieser Frau getrunken hatte. Er mochte nicht der klügste Vampir auf Erden sein, aber gelegentlich lernte er aus seinen Fehlern.
»Ich habe den Ausweg des Feiglings gewählt.« Annas Stimme klang verbittert, als sie sich in ihren Erinnerungen verlor. »Ich habe mich in den Büschen versteckt und ließ alle glauben, dass ich zusammen mit meiner Tante und meiner Cousine verbrannt wäre.«
»Weshalb?«
»Weil ich Angst hatte.«
»Angst wovor?«, drängte er sie, ernsthaft neugierig. Die Orakel waren nur mäßig mitteilsam, und obgleich sie enthüllt hatten, dass diese Frau geboren war, um eine der ihren zu werden, hatten sie kaum mehr erklärt. Sie konnte kein Mensch sein. Ihre Unsterblichkeit war der Beweis dafür. Und er konnte kein Dämonenblut in ihren Adern erkennen. Darüber hinaus hatte sie offenbar keine Ahnung von ihren Kräften. So blieb die ganze Angelegenheit im Dunkeln. Er wollte unbedingt Licht in die Sache bringen, bevor Anna von der Kommission geholt wurde.
»Ich weiß es nicht.« Sie zögerte. »Es war, als ob eine Stimme in meinem Hinterkopf mir einflüstern würde, ich sollte fliehen. Jetzt wirkt das lächerlich, aber damals war ich überzeugt, dass ich sterben würde, wenn ich aus dem Gebüsch käme.«
Eine Vorahnung? Die
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