04 - komplett
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Während die Kerzen weiter herunterbrannten, versuchte er, es sich einigermaßen bequem zu machen. Das alte Haus knarrte in der Stille der Nacht, und bedrückt fragte er sich, ob seine Gemahlin schon schliefe.
Es schmerzte ihn, sie nach diesen fünf Monaten über alle Maßen verändert zu finden, erinnerte er sich doch daran, welch unverdorbenes Selbstvertrauen, welch klare, süße Unschuld sie besessen hatte. Nun aber ... Er stöhnte leise. Nun aber umgab sie eine spröde Schicht von Umgangsformen, und er konnte nicht sagen, was sich darunter verbarg.
Bedauernd runzelte er die Stirn, denn er wusste wohl, dass er sich gleich zu Anfang bei ihr hätte entschuldigen müssen. Zuerst aber war die Eifersucht mit ihm durchgegangen, und als er dann die Aussprache vorschlug, hatte Eleanor abgelehnt.
Die Gründe hierfür fürchtete er in ihren Eskapaden der letzten Monate suchen zu müssen ... Er schwor sich, niemals Geständnisse aus ihr herauspressen zu wollen, sie nie zu beschämen und auch selbst darauf zu verzichten, vor ihr Rechenschaft abzulegen, um verhängnisvolle Enthüllungen ihrerseits nicht zu forcieren. Dabei aber wog sein Herz schwer wie Blei, schien doch sein Sehnen, zu seiner großen Liebe heimzukehren, all die Monate über vergeblich gewesen zu sein.
Während der Fahrt nach London am nächsten Morgen waren Eleanors Nerven zum Zerreißen gespannt. Nachts hatte sie kaum geschlafen und in der Frühe mit Kit zusammen ein mageres Frühstück eingenommen. Auf der Reise nun hüllte sie sich, wie auch er, überwiegend in Schweigen. Der Tag gab sich regnerisch und grau, ihrer Stimmung angemessen, denn die Zukunft, die nun vor ihnen lag, schien ihr jeden Sinnes beraubt und auf oberflächliche Vergnügungen beschränkt. Lord und Lady Mostyn würden nach außen hin eine gute Ehe führen; doch niemand, und ihr Ehemann als Letzter, sollte ahnen, wie weh ihr ums Herz war.
Als die Kutsche aber in der Montague Street hielt, die Trittstufen herabgelassen wurden und Kit seiner Gattin hinunterhalf, war diese aufs Höchste irritiert.
„Wir sind noch nicht am Bedford Square!“, protestierte sie.
Ihr Gatte lächelte. „Ganz recht. Natürlich werden Sie hier bei mir in dem Haus wohnen, das ich für die Saison gemietet habe.“
Entgeistert starrte Eleanor ihn an. „Aber meine Kleidung und meine anderen Sachen ...“
„Ihre persönlichen Dinge nebst Ihrer Zofe wurden gestern hergebracht“, antwortete er, nahm ihren Arm und geleitete sie die Treppen hinauf.
„Ich habe nicht den Wunsch, bei Ihnen zu sein!“, fuhr sie ihn an, über seine Eigenmächtigkeit erbost. „Sicher wird Marcus ...“
„Ihr Bruder, obschon unserer Verbindung nicht gerade gewogen“, unterbrach Kit sie sarkastisch, „wollte sich dennoch nicht zwischen Gemahl und Gemahlin stellen.
Kommen Sie ins Haus, meine Liebe; hier werden wir nur nass.“
So blieb Eleanor nichts anderes übrig, als sich von ihrem Gatten in das gepflegte Stadthaus führen zu lassen, das nun ihr Heim sein sollte. Der Butler kam, um sie zu empfangen, worauf sich ihr das Herz zusammenzog. Schließlich war er es gewesen, der sie vor fünf Monaten, als sie sich, bleich und erschöpft vom Weinen, kaum noch auf den Füßen halten konnte, eigenhändig zu ihrer Mutter zum Bedford Square kutschierte hatte, da sein Herr nicht wiederkehrte. Damals hatte der Butler Sorge und Mitleid gezeigt; nun aber lächelte er.
„Willkommen daheim, Mylady“, begrüßte er seine junge Herrin freudig. „Erlauben Sie, dass ich Ihnen Ihre Zimmer zeige.“
Eleanor straffte sich und hob das Kinn, um über diesen unerwartet warmherzigen Empfang nicht in Tränen auszubrechen. Mit Mühe brachte sie ein unsicheres Lächeln zustande. „Seien Sie bedankt, Carrick“, antwortete sie, worauf er, erfreut darüber, dass sie sich seines Namens erinnerte, ihr voran die Halle durchquerte und die Treppe erklomm. Kit folgte ihnen, was Eleanor zwar missfiel, sie aber zu ignorieren beschloss.
Obwohl nicht sehr groß, war das Haus ohne Zweifel geschmackvoll eingerichtet. Ein dicker Läufer auf der Treppe fiel gleich ins Auge, wie auch die auf Hochglanz polierten Geländer aus Mahagoniholz. Auf allen Fensterbänken standen frische Blumen, und ein Hauch von Bienenwachs lag in der Luft. Dem Charme des Hauses konnte man sich schwer entziehen, und doch wünschte Eleanor sich trotzdem ans andere Ende der Welt.
Ihre Privaträume bestanden aus einem großen luftigen Schlaf- und einem Ankleidezimmer, beide in
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