04 - komplett
entscheiden, ob du dich mit Mostyn versöhnen oder ihn zum Teufel jagen willst, und meine Unterstützung ist dir in jedem Falle sicher. Doch kannst du nicht von mir verlangen, ihn zu achten, nach dem, was er dir antat!“
Bang blickte Eleanor zu ihm auf. „Marcus, ich als Betroffene gebe mir Mühe, mir nichts anmerken zu lassen“, versuchte sie ein letztes Mal, ihn zu überzeugen, „Justin und du aber unterlauft meine Bemühungen!“
Erfreut hob Marcus seine Brauen. „So meidet Justin ihn ebenfalls?“, fragte er. „Oh, das gefällt mir!“
Verzweifelt stöhnte Eleanor auf. „Ich glaube, du hast ihn dazu angestachelt“, beschuldigte sie ihn zornig. „Charlotte ist deswegen sehr bestürzt. Oh, wie könnt ihr nur so verbohrt sein?“
„Das ist der Stolz der Trevithicks, meine Liebe!“, erklärte Marcus. „Du weißt sehr wohl, wovon ich spreche, denn du besitzt ihn ebenfalls!“
„Ich finde nicht, dass du dir auf deinen Dünkel etwas einbilden solltest!“, ereiferte Eleanor sich. „Marcus, wie bist du doch kindisch und selbstgefällig! Ich habe keine Lust, dir den nächsten Tanz zu gewähren!“
Marcus deutete eine Verbeugung an und bedachte seine Schwester mit einem unbußfertigen Grinsen, das zu ignorieren Eleanor erstaunlich schwierig fand; denn brachte er sie mitunter auch zur Weißglut, war sie ihm doch stets sehr zugetan.
„Nur zu, kleine Schwester“, stichelte er. „Entziehe mir ruhig diesen Tanz – wenn dir daran gelegen ist, Aufsehen zu erregen!“ Damit schlenderte er davon, und Eleanor hätte schwören können, dass er leise vor sich hin pfiff.
Verärgert flüchtete sie in den Wintergarten, der, mit bunten Laternen geschmückt, die Ruhesuchenden fernab des lauten Ballsaals zum Verweilen einlud. Als sie sich setzte, nahm sie eine Bewegung im dunkelsten Teil des Raumes wahr und fürchtete, ein heimliches Stelldichein zu stören. Wenn es denn Liebende waren, die dort im Dunkeln miteinander wisperten, hatten sie ihre Anwesenheit jedenfalls nicht bemerkt. Nach und nach verstand sie ein paar Worte:
„Haben Sie etwas für mich?“, drängte eine Frau im Flüsterton. „Oh, ich bitte Sie ...“
„Nicht, wenn Sie nicht zahlen können, Mylady“, antwortete eine Männerstimme mit leisem Lachen.
Die Frau wiederholte ihre Bitte, und Eleanor meinte, ein unterdrücktes Schluchzen hören zu können. Sie verhielt sich mucksmäuschenstill, um nicht entdeckt zu werden, da sonst der Eindruck entstehen musste, dass sie willentlich lauschte.
Man hörte, wie jemand in einer Tasche herumkramte; dann sagte der Mann: „Gut, das ist brauchbar. Nehmen Sie dies dafür“, worauf die Frau einen leisen Seufzer der Erleichterung ausstieß. „Ach, endlich ...“, murmelte sie.
„Danke, Mylady“, war der Mann zu hören, worauf sich seine Schritte entfernten und die Frau sich, ein Fläschchen an ihren Mund hebend, auf einer der vom Laternenlicht beschienenen Bänke niederließ. Ihre Mutter erkennend, sprang Eleanor entsetzt auf und eilte durch den Wintergarten zu ihr. Schnell ließ Lady Trevithick etwas in ihrem Retikül verschwinden, bevor sie sich keuchend erhob und ihrer Tochter triumphierend entgegenlächelte.
„Mama, was tun Sie hier?“, fragte Eleanor besorgt. „Ist Ihnen nicht wohl?“
„Ganz im Gegenteil“, war die Antwort, „es könnte mir nicht besser gehen. Welch wunderbarer Abend! Leihe mir deinen Arm, mein Mädchen, und begleite mich zum Spielzimmer.“
Ihre Mutter trug zum heutigen Fest die Trevithick-Juwelen, kunstvoll gefasste große Rubine, gesäumt von lupenreinen Diamanten, wobei das Collier mit den funkelnden Steinen nahezu völlig in den Falten ihres fleischigen Halses versank, ihr Handgelenk jedoch bloß und ungeschmückt war. Schlagartig bemerkte Eleanor, dass das prachtvolle Rubinarmband fehlte, was, zusammen mit der geheimnisvollen Unterhaltung im Wintergarten, ein klares Bild ergab; war doch von Bezahlung die Rede gewesen ... Fassungslos biss sie sich auf die Unterlippe.
„Lord Kemble war eben bei mir, Liebes, an den du dich wohl erinnern wirst“, vertraute Lady Trevithick ihr mit süßem Lächeln an, „hast du ihm doch vor einiger Zeit einen Korb gegeben! Er ist ein aufmerksamer Gentleman und sehr bemüht um mich. Du hättest besser daran getan, ihn zu ehelichen, wie ich es wünschte“, fügte sie mit lallender Stimme hinzu, „dann wäre alles einfacher ...“ Unvermittelt schwankte sie wie ein Baum im Sturm.
„Mama, was geschieht Ihnen?“, fragte Eleanor
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