04 - komplett
einem kleinen Beistelltisch.
„Es ist ein so schönes Haus“, sagte Sarah, als sie sich einem kleinen griechischen Tempel näherten. „Wie glücklich wir uns schätzen können, hierher eingeladen worden zu sein. Und nun reisen wir nächste Woche auch noch nach London. Ich kann unser Glück kaum fassen! Nur frage ich mich, warum Lady Longbourne sich dazu bereit erklärt hat.“
„Ja, ich mich auch“, stimmte Cassie zu. „Es ist unglaublich freundlich von ihr, aber ich hatte geglaubt, dass ihre Gesundheit es nicht erlaubt.“
„Vielleicht hält sie es für ihre Pflicht, dir zu helfen?“, schlug Sarah vor. „Da sie und deine Mama sich doch gut gekannt haben.“
„Ja, vielleicht. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass es Lord Carltons Idee war.
Andererseits, warum sollte er so übermäßig freundlich sein? Es sei denn, er hätte sich in dich verliebt, Sarah. Du bist so hübsch, da wäre es doch möglich.“
Sarah errötete und schüttelte heftig den Kopf. „Vielleicht hat er eher ...“, begann sie, hielt jedoch inne, als sie Lord Carlton auf sie zukommen sah. „Oh, da ist er.“
„Meine Damen.“ Vincent tippte sich zur Begrüßung an den Hut. „Ich dachte mir schon, dass ich Sie hier finden würde. Heute ist ein wunderschöner Tag, nicht wahr?“
„Sehr angenehm“, sagte Cassie. „Lady Longbourne fand es allerdings etwas zu warm für einen Spaziergang, und so zog sie es vor zu ruhen. Jetzt kehren wir aber besser wieder um. Ich möchte nicht, dass sie das Gefühl bekommt, wir vernachlässigen sie.“
„Mama geht es ausgezeichnet“, beruhigte er sie. „Als ich sie eben verließ, wollte sie sich für ein Nickerchen zurückziehen. Ich bin gekommen, um Sie zu einem kleinen Ausflug mit dem Ruderboot auf unserem See zu überreden. Wenn Sie Lust dazu hätten.“
„Oh ja“, rief Sarah impulsiv. „Das würde so viel Spaß bringen. Was meinst du, Cassie?“
„Gern. Auf dem See muss es angenehm kühl sein. Was für ein netter Vorschlag, Mylord.“
„Mama erinnerte mich daran, dass wir heute Abend Gäste haben, aber wenn Sie es nicht zu anstrengend finden, zur Insel hinausgerudert zu werden ...“
Beide Damen beteuerten, sie fänden es eher entspannend, und so gingen sie gemeinsam zum Anlegesteg, an dem ein Ruderboot festgemacht war. Vincent half zuerst Sarah hinein und dann Cassie. Er folgte und nahm die Ruder auf.
Cassie lehnte sich zufrieden seufzend zurück. „Jack und ich waren ständig auf dem Fluss unterwegs mit unserem Boot. Und oft lagen wir am Ufer und in der Sonne – als Kinder, wissen Sie. Ich liebte es, Ketten aus Gänseblümchen zu flechten ...“
Sie errötete unter seinem Blick und schaute sich lieber die Umgebung an, um ihm auszuweichen. Die Ufer des Sees waren dicht bewaldet. In seiner Mitte befand sich eine winzige Insel mit einem Sommerhäuschen und schmiedeeisernen Bänken.
„Ein wunderschöner Ort für ein Picknick“, bemerkte sie.
„Ja. Ich hätte daran denken sollen, einen Korb mitzubringen“, sagte Vincent, plötzlich ganz ernst. „Vielleicht ein anderes Mal.“
Cassie sah verstohlen zu ihm hinüber. Sein Gesichtsausdruck ließ ihr Herz schneller schlagen. Was war plötzlich mit ihm? Hatte sie ihn mit irgendetwas verärgert?
Tatsächlich erinnerte Vincent sich an einen anderen Tag auf der Insel, an dem er, Jack und einige andere Freunde dort ein Picknick abgehalten hatten. Jack hatte ihnen allen eine Geschichte über seine Schwester erzählt – die erste von vielen weiteren. Ihm zufolge hatte Cassie fast ihr ganzes Leben damit zugebracht, von einer Schwierigkeit in die nächste zu geraten.
Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er sie jetzt lachen sah. Er wünschte sich so sehr, Jack könnte bei ihnen sein ... und würde nicht in einem namenlosen Grab irgendwo in Frankreich liegen.
Weitere sechs Personen nahmen an diesem Abend bei Tisch Platz. Man hatte Cassie dem Reverend Simpson vorgestellt, dessen Schwester, die den Haushalt für ihn führte, einem Herrn fortgeschrittenen Alters, der neben ihr saß, und drei Damen, die zusammenlebten.
Es war keine ausgesprochen geistreiche Gesellschaft. Cassie bemerkte belustigt, wie Lord Carlton sich nach einer Weile bemühte, ein Gähnen zu verbergen. Es hätte ihn selbstverständlich betrübt, die Gäste seine Langeweile merken zu lassen, denn er verfügte über ausgezeichnete Manieren. Dennoch war es Cassie nicht entgangen, wie eintönig er den Abend fand.
Schon bald folgte er den Damen in den Salon,
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