04 - komplett
wiedererlangte.
„Das trifft den Sachverhalt“, erwiderte Kit, der mit ihr auf dem Sofa saß. Allerdings hielt er sie dabei so sanft im Arm, dass seine trockene Antwort nicht recht passen wollte. „Trinken Sie dies, Eleanor, damit Sie wieder zu sich kommen!“
Sie schnupperte an dem Glas, das er ihr hinhielt, und schrak zurück. „Brandy?“, fragte sie entsetzt. „Ich hasse das Zeug ...“
„Herunter damit“, befahl ihr Gemahl in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, sodass sie gehorsam daran nippte. Dann setzte sie sich auf, woraufhin er hinüber zu Paulet schlenderte, der sich den Pudding von der Weste wischte, ihn am Kragen fasste und hinauswarf.
„Fahren Sie zur Hölle, oder wohin es Ihnen sonst beliebt“, rief er dem armseligen Dichter mit schneidender Stimme nach, „aber belästigen Sie meine Gattin nie wieder!“ Heftig knallte er die Tür zu und ging zu Eleanor zurück, die, erschreckt eine Hand an den Mund haltend, vor dem bösen Spott in seinen Augen zurückzuckte.
„Bitte vergeben Sie mir, dass ich Ihren Verehrer so jäh vor die Tür setzte, meine Liebe“, sagte Kit, jedes Wort in die Länge ziehend. „Doch kann ich es nicht vertragen, wenn ein anderer Mann meiner Ehefrau in intimer Zweisamkeit seine Bewunderung erweist! Vielleicht vergaß ich bisher, das zu erwähnen?“
„Vielleicht war noch keine Zeit dafür, Mylord“, antwortete sie mit dünner Stimme und stellte das Glas ab. Obwohl ihr der Schreck noch immer in den Gliedern saß und sie am ganzen Leibe zitterte, brachte sie es fertig, Kit einen wütenden Blick zuzuwerfen. „In den wenigen Stunden, die wir zusammen verbrachten, gab es kaum Gelegenheit uns auszutauschen! Bevor Sie verschwanden, konnten wir kaum ein paar Worte wechseln. Und wenn ich mich recht erinnere, waren darunter keine, die einen schnellen Abschied ankündigten.“
Missmutig verschränkte Kit die Arme. „Ich verstehe durchaus, dass Sie nicht darauf gefasst waren, mich so plötzlich wiederzusehen ...“
„Nein, Mylord“, entgegnete Eleanor höflich, „so kann man es nicht ausdrücken. Ich bin schockiert. Einfach fortzugehen und wiederzukehren, wie es Ihnen beliebt! Ein solcher Mangel an Rücksichtnahme zeugt von Rohheit ...“
„Weshalb ich mich nicht darüber beklagen sollte, meine Gattin in flagranti mit einem anderen Mann zu überraschen?“, fragte Kit scheinbar ruhig, doch in seinen Augen stand ein gefährliches Glitzern.
Aber auch Eleanor wurde immer wütender. Die Dinge schienen ihr entschieden in die falsche Richtung zu laufen, zeigte doch ihr durch die Lande ziehender Gatte weder Reue noch Gewissensbisse, wie es sich ziemte, sondern verhielt sich unangemessen arrogant.
„Der strittige Punkt ist wohl eher Ihr mangelhaftes Verhalten als das meine, Mylord“, gab sie aufgebracht zurück. „Denn nicht ich war fünf Monate lang abwesend, ohne die Freundlichkeit zu besitzen, zumindest einen erklärenden Brief zu schicken, sondern Sie!“
Kit gab ein Stöhnen von sich. „Eleanor, ich habe Ihnen geschrieben, und zwar nicht nur einen, sondern mehrere Briefe ...“
„Was Sie nicht sagen! Nicht einen einzigen habe ich erhalten.“ Eleanor merkte, wie gereizt sie klang, aber ihre Nerven lagen blank. „Sie glauben doch wohl nicht, dass es aus freien Stücken geschah, dass ich mich hier in diesem grässlichen Wirtshaus mit einem Mann aufhielt?“
„Sicher können Sie Ihren Galanen beibringen, etwas Passenderes auszuwählen, meine Liebe“, versetzte Kit mit beißendem Spott. „Die ganze Strecke von Richmond nach London habe ich nach Ihnen abgesucht und kann versichern, dass es auch noblere Herbergen gibt.“
Diese Bemerkung trieb Eleanor die Tränen in die Augen. Die sie seit Langem peinigenden Fragen – w arum hast du mich verlassen, wo bist du gewesen – behielt sie für sich, denn ihr war beigebracht worden, dass es sich für Damen nicht gehörte, ihre Ehemänner unverblümt zur Rede zu stellen. Da Kit sie von sich aus nicht aufklären zu wollen schien, blieb ihr nichts übrig, als trotz ihres Zorns und ihres Elends Haltung zu beweisen.
„Sie missverstehen die Situation, Mylord“, bemerkte sie in kühlem Ton. „Wenn es andere gab, die mir Aufmerksamkeit zollten, so, weil Sie nicht da waren, um ihnen Einhalt zu gebieten ...“
Und weil Sie ihnen Ihre Gesellschaft gestatteten!“, unterbrach Kit sie, mühsam seinen Zorn unterdrückend. „Ist Ihnen nicht klar, dass mir bei meiner Rückkehr nach England zugetragen wurde, wie schlecht
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