04 - Lebe lieber untot
Nachbargrundstück trennte. Der Mond versteckte sich hinter den Wolken, darum war es an der Hausmauer so stockfinster.
Definitiv eine hervorragende Möglichkeit, erst mal die Lage zu checken.
Das dachte ich zumindest, bis ein Gefühl der Vorahnung einen Schauer über meinen Rücken laufen ließ. Ich drehte mich um und sah kurz ein rotes Licht zwischen den Latten des Zaunes aufblitzen.
Das Licht versehwand in einer Wolke aus blauem Polyester.
„Wer sind Sie?“, fragte eine alte, brüchige Stimme.
„Eine Freundin von Vinnie“, erwiderte ich hastig. „Und Mama Balducci. Ich dachte, ich schlüpf hinten rein und überrasche alle“, sprach ich schnell weiter, um zu erklären, wieso ich dort draußen im Dunklen herumschlich statt durch die Eingangstür hereinzuspazieren. „Sie hat Geburtstag.“
„Von wegen Geburtstag“, murmelte die Stimme. Ich hörte das Quietschen von Gummisohlen und das Knarren von Holz, und dann spähte eine silbrigweiße Hochsteekfrisur über den Zaun hinweg.
Die Frisur war picobello frisiert, geschniegelt und gestriegelt und gut dreißig Zentimeter hoch.
Ich sah zu, wie die Haare immer höher und höher stiegen. Okay, sagen wir gut fünfunddreißig.
Schließlich tauchte eine runzlige Stirn auf, gefolgt von einer Nachtsichtbrille über einem Paar leuchtend rot geschminkter Wangen.
Nein, ehrlich.
Ein rotes Licht leuchtete in der Mitte zwischen den beiden verspiegelten runden Linsen, wodurch sie wie eine uralte Fliege aussah und verhindert wurde, dass ich ihr in die Augen sehen und mit Hilfe meiner Vampirfähigkeiten in ihr lesen konnte.
„Diese Party ist doch bloß eine Ausrede“, fuhr die Frau fort, „damit sich die gesamte Nachbarschaft versammeln, jede Menge Lärm veranstalten und meinen Schlaf stören kann. Dieser Radau hält mich schon den ganzen Abend wach. Ich konnte mir nicht mal das Glücksrad ansehen.“
Ich hörte nur unter Anstrengung gelegentlich ein Lachen, im Hintergrund spielte leise „Moon River“, und dabei verfüge ich über ein übernatürliches Gehör.
Unter gar keinen Umständen konnte diese geriatrische Fliege - deren faltiges Gesicht sogar noch älter aussah als ihr Haar -auch nur das Geringste hören.
„Man sollte doch meinen, die Polizei hätte dem ein Ende bereitet, als sie zum ersten Mal hier war“, fuhr sie fort.
„Oder wenigstens beim zweiten Mal. Aber nein. Erst sind diese Mistkerle geblieben, um Pasta zu essen, und dann kamen sie zum Nachtisch wieder.“ Die silberne Hochsteckfrisur wackelte zustimmend. „Aber Sie können Ihren Arsch darauf verwetten, dass ich eine Beschwerde beim Dezernat für innere Ermittlungen einreichen werde, gleich morgen früh, sobald sie aufmachen. Und inzwischen ist es an mir aufzupassen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Fünfzig Jahre“, murmelte sie, „seit fünfzig Jahren muss ich mich jetzt schon mit diesem verdammten Mist herumschlagen.“
„Die Balduccis feiern wohl viele Partys?“
Sie runzelte die Stirn dramatischer. „Wie war doch gleich Ihr Name?“
„Eigentlich habe ich ihn noch gar nicht genannt. Aber ich heiße Lil. Lil Marchette. Mir gehört eine Partnervermittlung in Manhattan. Vielleicht haben Sie schon davon gehört. Dead End Dating?“
„Ich komme nicht sehr oft in die Stadt.“ Was Sie nicht sagen!
„Na ja, wenn Sie mal zufällig vorbeikommen“, ich reichte ihr eine DED-Visitenkarte, zusammen mit meiner Standardbestechung, für den Fall, dass ich mich mal aus einer unangenehmen Lage befreien muss und mein Vampircharme nicht reicht. „Rufen Sie mich an.
Sie bekommen ein kostenloses Profil und drei Partnervorschläge von mir.“
„Kostenlos? Warum um alles auf der Welt sollten Sie denn so was machen?“
Weil Sie mir tierisch auf den Senkel gehen und meine Zeit vergeuden, während ich es so schrecklich eilig habe und alles tun würde - alles -, damit Sie endlich die Klappe halten. Ich lächelte. „Das ist unser Spezialtarif für Senioren.“
„Wollen Sie damit etwa sagen, ich wäre alt?“
Und irgendwie gruselig.
Nicht, dass ich Angst verspürte, versteht sich. So eine alte Lady konnte doch einem Vampir nicht das Wasser reichen. Aber wenn ich kein gebürtiger Vampir gewesen wäre... Wir sprechen hier immerhin von einer Nachtsichtbrille. Ich konnte nur raten, wozu sie die benutzte, wenn sie nicht gerade spionierte. Vielleicht um ein paar Leichen in ihrem Garten zu verscharren.
Ich schluckte und schenkte ihr mein charmantestes Lächeln. „Sagte ich Senioren?“ Ich
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