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04 - Spuren der Vergangenheit

04 - Spuren der Vergangenheit

Titel: 04 - Spuren der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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es.
    Er hatte das Gefühl, dass sein Atemgeräusch erheblich lauter geworden war, seit er vor dem steinernen Tisch angekommen war, auf dem die beiden Objekte wie Opfergaben lagen.
    »Du wirst dich fragen«, sagte Ah Ahaual, »warum ich dir diese Dinge zeige.«
    Ts’onot nickte beklommen. Früh am Morgen war er schweißgebadet aus dem Schlaf geschreckt und von einem Gefühl übermannt worden, das er so interpretierte, dass seine Gabe ihm etwas mitteilen wollte, es aber nicht schaffte, eine verständliche Vision zu erzeugen. Es hatte Stunden gedauert, bis er zu seinem gewohnten Tagesablauf gefunden, sich wieder beruhigt hatte – und dann war auch schon sein Vater gekommen.
    War es die Ahnung dessen gewesen, was er nun erlebte?
    »Du verbindest, ebenso wie ich, Schlimmes mit diesen Dingen«, fuhr Ah Ahaual fort.
    Ts’onot zögerte, nickte wieder.
    Dann kam einer der seltenen Momente, in denen er seinen Vater lächeln sah. Fast warm wurde die Stimme, als er sagte: »Ich habe deinen Werdegang aufmerksam verfolgt und bin zu dem Schluss gelangt, dass du wahrscheinlich der Einzige bist, der genug Vorsicht und auch Weitsicht besitzt, um sich mit diesen beiden Zauberdingen zu befassen. Ich würde es selbst tun, aber ich habe nicht die Gabe wie du, kein natürliches Gespür für Dinge, die außerhalb unserer normalen, sichtbaren Welt liegen. Du nennst dich zu Recht Chilam . Und ich traue dir zu, dass du der Herausforderung gewachsen bist.« Er stockte kurz, dann sagte er: »Eine Bedingung knüpfe ich daran: Deine Mutter darf nichts davon erfahren. Came nicht und auch sonst niemand. Nur du und ich sind eingeweiht. Was du herausfindest, wirst du mir umgehend berichten. Ich habe immer ein Ohr für dich.«
    Ein leichter Schwindel erfasste Ts’onot, als ihm bewusst wurde, worauf der Besuch dieser Kammer offenbar hinauslaufen sollte: Ah Ahaual, der Herrscher über Ah Kin Pech, wollte die beiden lästerlichen Dinge – Reif und Dolch – in seine Obhut geben, damit er ihre Geheimnisse ergründete!
    Für einen Moment schien sich ein eisiger Knoten zu bilden, dort, wo eigentlich sein Magen hätte sein sollen. Dann aber erfasste ihn ein Fieber, dem er sich nicht entziehen konnte.
    Die Anspannung ließ ihn fast aufschreien. »Ist das Eure ehrliche Überzeugung, Vater?«
    Ah Ahaual nickte. Der Fackelschein ließ die Furchen in seinem Gesicht wie Landmarken hervortreten, die man zur besseren Orientierung in Tierhäute zu ritzen pflegte. Es war ihm ernst, daran gab es keinen Zweifel.
    Ts’onots Blick fraß sich an dem immer noch geöffneten Armreif fest, der einmal dem fremden, bernsteinschuppigen Wesen gehört hatte – und danach Oxlaj dem Opferpriester.
    Der Klinge schenkte er dagegen kaum Beachtung, obwohl sie alles in den Schatten stellte, wozu ein normales Messer in der Lage war.
    »Ich fühle mich geehrt – und werde alles tun, um das von Eu … von dir in mich gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen.«
    ***
    Ah Ahaual war besorgt. Die Übergriffe verfeindeter Stämme hatten in den letzten Jahren zugenommen. Besonders die Tutul Xiu nutzten jede sich bietende Gelegenheit, die Reichsgrenzen zu verletzen, griffen Dörfer und einsam gelegene Weiler an.
    Ah Ahaual war geneigt, zu einem Feldzug aufzubrechen, der in letzter Konsequenz das Nachbarreich der Tutul Xiu zerschlagen sollte. Nur so schien eine dauerhafte Befriedung der Region durchsetzbar zu sein.
    Aber die Einschätzungen der gegnerischen Stärke waren widersprüchlich. Und bevor er sich auf ein Abenteuer einließ, das die Existenz seines eigenen Reiches infrage stellen konnte, wollte er sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versichern, dass ein Krieg nicht im Fiasko für sein Volk endete.
    Zu diesem Zweck hatte er Ts’onot zu sich bestellt.
    Erst wenige Tage waren vergangen, seit er ihm die fremdartigen Fundstücke ausgehändigt hatte, die Oxlajs Niedergang besiegelt hatten. Gemeldet hatte sich Ts’onot seither noch nicht, aber das hatte Ah Ahaual auch nicht erwartet. Er wollte auch gar nicht, dass sein Sohn die Dinge überstürzte.
    Er wartete in dem Raum des Palastes auf Ts’onot, in dem er auch regelmäßig die Bürger von Ah Kin Pech und der umliegenden Gebiete empfing, um sich ihre Sorgen und Wünsche anzuhören. Er hatte immer Wert darauf gelegt, ein Ohr für die Menschen zu haben, die er regierte. Und wenn seine regelmäßig ausgesandten Späher, die sich inkognito unter die Leute mischten, ihm die Wahrheit berichteten, genoss er den Ruf des streng

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