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04 - Spuren der Vergangenheit

04 - Spuren der Vergangenheit

Titel: 04 - Spuren der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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sein.
    Tom wartete darauf, dass sie die Nerven verlor und ihn zum Teufel jagte. Aber er täuschte sich. Ebenso schnell, wie ihr die Kinnlade nach unten geklappt war, hatte sie sich auch wieder gefasst.
    »Wenn das so ist«, sagte sie, »dürfen Sie keine Zeit mehr verlieren. Nehmen Sie nur mit, was Sie unbedingt brauchen.« Sie sah sich im Zimmer um. »Damit meine ich auch die Bücher. Ansonsten hatten Sie ja schon recht wenig Gepäck, als Sie ankamen …«
    »Sie sind ein tolles Mädchen, Maria. Sie haben Besseres verdient als ein Leben in diesem … verzeihen Sie den Ausdruck … in diesem Loch !«
    »Ich habe es mir nicht ausgesucht. Und jetzt packen Sie!«
    Obwohl Tom bedauerte, dass er Maria Luisa in Angst und Schrecken versetzte, schmeichelte es ihm andererseits, dass sich offenbar jemand ehrlich um ihn sorgte.
    Rasch packte er alles zusammen, auf das er bei einer neuerlichen Flucht keinesfalls verzichten wollte. Das Artefakt befand sich in einem Lederbeutel an seinem Gürtel, die Kladde packte er zusammen mit zwei dicken Wälzern in einen der Stoffbeutel, in denen Maria Luisa die Literatur hergeschleppt hatte. Alles andere war verzichtbar.
    Während er beschäftigt war, erklärte ihm die Tochter des Hotelbesitzers, wie er sich durch das Gebäude zu bewegen hatte, um unentdeckt zu bleiben. Als er fertig war, lief er zur Tür, wo Maria Luisa bereits bereitstand, um den Riegel zurückzuschieben.
    Er nickte ihr zu. Sie sperrte auf. In derselben Bewegung, in der die Tür öffnete und Anstalten machte, sich auf den Korridor zu schieben, hielt er neben ihr inne und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Sie sind ein Schatz! Ich werde zurückkommen und mich angemessen bedanken … Wünschen Sie mir Glück!«
    Sie nickte, sah verdutzt aus.
    Dann war er draußen auf dem Gang und hastete zur Treppe.
    Reifengeräusche vor dem Haus stoppten ihn. Es klang wie in Polizei- oder Actionfilmen, wenn ein Wagen in rasanter Fahrt zum Halten gebracht wurde.
    Es waren mehrere Fahrzeuge, mindestens zwei. Tom hatte ein Ohr dafür.
    Statt die Treppe hinunter, eilte er zum Fenster am Ende des Gangs, das zur Straßenseite hin lag. Vorsichtig schob er den Vorhang ein Stück weit zur Seite und spähte nach unten.
    Die Wagen – zwei schwarzmetallicfarbene Mercedes der S-Klasse – standen mit offenen Türen wie Skarabäen, die ihre Flügeldeckel gehoben hatten, halb auf der Straße, halb auf dem Gehsteig vor dem Hoteleingang. Die dazugehörigen Insassen waren von Toms Warte aus schon nicht mehr zu sehen.
    Was bedeutet, dass sie schon drin sind. Im Hotel.
    Er verlor keine Zeit, wandte sich um, blickte Richtung Treppe, die auch eine Fortsetzung nach oben hatte, und entschied, dass der Weg zum Hinterausgang – zum Erdgeschoss überhaupt – bereits verstellt war.
    Also hoch!
    Von unten erklangen Schritte, hart und effizient, dazu Stimmen, die sich auf Spanisch unterhielten. Tom glaubte das Organ von Álvaro Suárez herauszuhören, war sich aber nicht hundertprozentig sicher.
    So leise, aber auch so schnell wie möglich stieg er die Treppenstufen nach oben.
    Wie viele Stockwerke hat die Herberge? Darum hätte ich mich früher kümmern müssen. Anfängerfehler!, schalt er sich.
    Auf der Ebene, die er gerade verließ, ging eine Tür auf. Er hörte Schrittgeräusche, die typisch Frau waren. Maria!
    Mit Kopf und Oberkörper war er schon im nächsten Stockwerk, ab der Gürtellinie abwärts noch nicht.
    Aus Sorge um die Tochter des Hotelbesitzers ging er noch einmal drei Stufen zurück und bückte sich so, dass er sich durch die offenen Geländerstäbe einen Überblick verschaffen konnte. Maria Luisa Suárez stand vor dem Zimmer ihres Bruders und schaffte es kaum, den Schlüssel ins Schloss zu schieben, so stark zitterten ihre Hände. Im Flüsterton haspelte sie Gebetsformeln herunter.
    Tom wollte ihr etwas Beruhigendes zurufen, leise natürlich, aber da kamen von unten schon Männer s chritte nach oben. Hart, fast militärisch.
    Maria Luisa schloss auf, zog den Schlüssel heraus und verschwand so eilig im Zimmer, als gelte das Kommando ihr, nicht Tom. Er hörte, wie sie die Tür von innen wieder abschloss, länger wartete er nicht. Fast lautlos strebte er nach oben und bog um die Brüstung des Treppengeländers.
    Von hier aus führte nur noch eine leiterartige Konstruktion weiter nach oben zu einer Dachbodenluke. Eine Alternative wäre vielleicht eine außen verlaufende Feuerleiter gewesen – aber Tom hätte nicht darauf wetten wollen, dass

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