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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jemals, soweit die Geschichte reicht, zwei aufrichtigere und treuere Freunde als diese beiden? Wo ist das Wort, daß einer der Schutzengel des anderes war, wohl richtiger als bei ihnen? Was wir getan haben, ist nichts Besonderes. Wir haben einen Clan, einen neuen Clan gegründet, wie es deren so viele gab und heut noch gibt bei den roten Männern. Ein jedes Mitglied verpflichtet sich, der Schutzengel eines anderen Mitgliedes zu sein, das ganze Leben hindurch, bis in den Tod. Wir hätten diesen Clan, also den Clan der Schutzengel heißen können, haben ihn aber den Clan Winnetou genannt, weil dies bescheidener und praktischer klang. Wir treffen damit das Richtige, und wir ehren dadurch zu gleicher Zeit das Andenken des besten und geliebtesten Häuptlings aller Zeit und aller Apatschenstämme. Aber wir wollen bei der Wahrheit bleiben. Wir wollen nicht übertreiben. Es soll dies das einzige Denkmal sein, welches ihm die rote Rasse setzt. Es gibt kein besseres und kein wahreres. Ein Denkmal von Gold und Marmor, in Riesengröße, auf herrschender Bergeshöhe, weit über Land und Volk hinabschauend, würde Lüge, würde Überhebung sein. Überhebung und Lüge von uns, nicht aber von Winnetou. Er log nie, und er war bescheiden. In dieser Wahrhaftigkeit und Bescheidenheit haben wir ihm zu gleichen. Er soll unsere Seele werden, unsere Seele sein. Dann steht er höher als der höchste Punkt der Felsenberge! Und dann ist er größer, unzähligemal größer als die Kolossalstatue, die ihm kleine Menschen jetzt errichten wollen! Es macht mich glücklich, gehört zu haben, daß Old Shatterhand derselben Meinung ist. Ich wünsche, daß Tatellah-Satah dies so bald wie möglich erfährt. Erlaubt ihr mir, es ihm durch einen Boten sagen zu lassen?“
    „Sehr gern. Aber wer soll dieser Bote sein?“ fragte ich.
    „Keiner von uns. Ich rufe ihn.“
    Er wendete sich vom Feuer ab, nach Süden, legte die Hände an den Mund und ließ die drei Silben „ Win  – ne – tou !“ erschallen, nicht überlaut, aber dennoch weit hinausgetragen.
    „ Win  – – ne – tou !“ klang es zurück.
    „Ist das ein Echo?“ fragte das Herzle.
    „Nein“, antwortete der ‚Junge Adler‘. „Es ist Winnetou.“
    Es war Nacht. Die Sterne leuchteten. Bei ihrem Schein sahen wir nach kurzer Zeit eine Gestalt sich unserem Feuer nähern, langsam, mit sicherem Schritt und ohne Eile. Sie trug den gleichen Lederanzug wie einst mein Winnetou. Ihr Haar war oben an einen Schopf gewunden und hing dann weit auf den Rücken herab. Waffen trug sie nicht. Sie blieb still vor uns stehen. Nun traf der Schein des Feuers ihr Gesicht. Wir sahen, daß es ein Mann im Alter von vielleicht vierzig Jahren war.
    „Du bist der Beschützer des Nugget-tsil?“ fragte der ‚Junge Adler‘.
    „Ich bin es“, antwortete der andere.
    „Sende sofort einen Boten an Tatellah-Satah. Laß ihm sagen, daß der ‚Junge Adler‘ zurückgekehrt ist und seine Aufgabe löste. Laß ihm ferner sagen, daß auch Old Shatterhand gekommen ist und Winnetous Nachlaß fand. Und laß ihm endlich sagen, daß er sich im Denkmalskampf auf Old Shatterhand verlassen kann wie auf sich selbst!“
    Dies wurde selbstverständlich in der Sprache der Apatschen gesagt. Hierauf machte der ‚Junge Adler‘ eine Handbewegung des Grußes, worauf der Winnetou sich entfernte, ohne ein weiteres Wort zu sprechen.
    „Wie seltsam!“ sagte das Herzle zu mir.
    „Nicht seltsam, sondern im Gegenteil sehr leicht erklärlich“, entgegnete er. „Ihr werdet bei Tatellah-Satah, also am Mount Winnetou, die Organisation unseres Clan genau kennenlernen und an ihr keine Spur von Seltsamkeit entdecken.“
    „Dürfen wir nicht schon jetzt Eingehendes erfahren?“ fragte sie.
    „Ich bin ein Heimkehrender, also kein zuverlässiger Belehrer. Zwar stand ich auch in der Ferne mit dem Mount Winnetou im Verkehr, aber nur in Beziehung auf hochwichtiges und allgemeines. Um Auskunft zu erteilen, bin ich jetzt selbst nicht unterrichtet genug.“
    Die beiden Enters hatten sich bisher vollständig schweigsam verhalten. Es fiel uns also auf, daß Hariman sich grad in diesem Augenblick hören ließ, indem er sagte:
    „Aber diese Sache ist doch unendlich interessant für mich! Darf man nicht wenigstens erfahren, ob auch Weiße Mitglieder dieses Clan Winnetou werden können?“
    Der Gefragte antwortete:
    „Er wurde ursprünglich nur für Indianer gegründet, doch würde es gegen seinen Grundgedanken sein, die Weißen auszuschließen. Wir

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